Ein Jugendseminar der Deutsch-Indischen Gesellschaft und der Evangelischen Akademie Bad Boll vom 10.-12. Juni 1994 (als pdf )
Zu dem Seminar in Bad Boll trafen sich als TeilnehmerInnen und ReferentInnen 'Deutsch-InderInnen' der ersten (7 VertreterInnen), der zweiten (15) und der dritten (2) Generation, sowie einige 'Deutsche', um über die Probleme von Kindern und Enkeln der EinwandererInnen in Deutschland zu diskutieren.
Das Programm, dass durch den indischen Botschafter eröffnet wurde, bot ein breites Angebot von Vorträgen. Einige sollten das Hintergrundwissen über Indien, das bei vielen Nachfahren von EinwandererInnen recht begrenzt ist, vertiefen. So gab es, zum Beispiel, Anleitungen zum Einstieg in die Religion, Kunst und Literatur Indiens. Außerdem beschäftigten sich einige Referate mit einem Vergleich von Indien und Deutschland. Zentral war hier eine Diskussion über die unterschiedliche Rolle des Individuums und der Gruppe in beiden Ländern. Schließlich behandelten mehrere Vorträge das Thema "InderInnen in Deutschland". Zum einen wurde das Indienbild der deutschen Medien analysiert oder die Identitätsprobleme der zweiten Generation betrachtet, zum anderen gab es praktische Hinweise wie man im Rahmen seiner Ausbildung auch für eine Zeit nach Indien gehen kann.
Obwohl dieses Programm sehr interessant war, stellte sich allerdings bald heraus, dass die Jugendlichen mehr Platz für Diskussionen in eigener Leitung brauchten. So wurde auf Anregung der zweiten Generation und im allgemeinen Konsens der Zeitablauf etwas abgeändert. Es wurde zuerst eine große Diskussionsrunde gebildet, in der die zweite und dritte Generation einen engeren Kreis bildeten und die erste Generation sowie die anwesenden 'Deutschen' die Rolle von ZuhörerInnen hatten. Später wurde die Diskussion in Arbeitsgruppen zusammen mit der Elterngeneration und den 'Deutschen' weitergeführt.
Schnell kristallisierten sich drei Kernproblembereiche heraus. Als erstes stellt sich für jede 'AusländerIn' der zweiten Generation die Frage nach der eigenen Identität. JedeR muss es für sich selbst schaffen, die Zugehörigkeit zu zwei Kulturen miteinander zu verbinden. Auffallend hierbei war, dass auch Kinder, deren Eltern beide aus Indien stammen, sich sehr stark Deutschland verbunden fühlen und sich viele in erster Linie als 'Deutsche' betrachten (unabhängig von der tatsächlichen Staatsangehörigkeit).
Der zweite Problembereich sind die Reaktion der ('deutschen') Umwelt auf einen VertreterInnen der zweiten Generation. Für eine Jugendliche, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und in der Regel nur deutsch fließend spricht, sind Fragen wie „Warum kannst Du so gut deutsch?“ und „Wann gehst Du nach Indien zurück?“ sehr irritierend. Die 'InderInnen' der zweiten Generation müssen lernen, damit umzugehen, dass sie von anderen 'Deutschen' als fremd angesehen werden, obwohl sie Deutschland als ihr zu Hause betrachten.
Schließlich entstehen in EinwandererInnenfamilien leicht Probleme zwischen der ersten und der zweiten Generation. Die Kinder, die durch ihre Umgebung (ihre Freunde, die Schule, etc.) stark 'deutsch' geprägt sind verstehen das Verhalten ihres 'indischen' Elternteils nicht immer, da sie die 'indischen' Verhaltensnormen nicht täglich erleben. So sind sie zum Beispiel, in der Regel nicht bereit, ihren Eltern den gleichen Respekt zu zeigen den ein Kind in Indien selbstverständlich zeigt. Die Eltern hingegen haben häufig Schwierigkeiten, den Wunsch ihrer Kinder nach Selbstbestimmung zu akzeptieren. Obwohl beide Teile das Beste für den anderen wollen, besteht eine Barriere, die schwer zu überbrücken ist. Notwendig für einen Abbau der Konflikte ist es, dass sich beide Seiten intensiv mit der anderen prägenden Kultur auseinandersetzen.
Es wurde aber sehr schnell klar, dass die meisten Jugendlichen hier ein erhebliches Informationsdefizit haben. Zum einen verfügen sie nur über mangelhafte Kenntnisse über das Heimatland ihrer Vorfahren (seine Kultur, Geschichte und Gesellschaft), zum anderen sind sie nicht informiert über Angebote zu Indien und für 'InderInnen' in Deutschland (Medien, Veranstaltungen, etc.). Allerdings bestand unter den SeminarteilnehmerInnen einhellig der Wunsch diesen Mangel zu beseitigen.
Ein Problem, das sich den 'InderInnen' der zweiten und dritten Generation generell stellt, ist, dass es keine Organisation oder Institution gibt, die eine adäquate Anlaufstelle für sie ist. So spricht, zum Beispiel, die Deutsch-Indische-Gesellschaft bisher eher an Indien interessierte 'Deutsche' und 'indische' EinwandererInnen, nicht so sehr die 'Deutsch-InderInnen' der zweiten Generation, an. Während des Seminars entstand daher der Ruf nach einer Art Selbstorganisation der Jugendlichen, um ein Forum für ihre Interessen und Probleme zu schaffen. So sind die Seminarteilnehmer auch noch ein halbes Jahr nach ihrem erstmaligen Treffen in engem Kontakt, bereiten eine Wiederholung des Seminars vor, waren zum Besuch beim indischen Botschafter und versuchen, ihre Interessen offensiver zu vertreten.
Die rege Beteiligung der SeminarteilnehmerInnen an den Diskussionen, die große Offenheit und Emotionalität ihrer Beiträge zeigten auf jeden Fall, dass ein solches Seminar schon längst überfällig gewesen war. Vielen Jugendlichen gab das Seminar die erste Gelegenheit, über ihre spezifischen Probleme mit anderen Betroffenen (und auch mit der ersten Generation) zu sprechen, und diese wurde intensiv genutzt. So waren sich auch alle am Ende der Veranstaltung einig, dass ein solches Jugendseminar regelmäßig (jährlich) stattfinden muss um so ein Forum für Austausch zwischen den Jugendlichen zu schaffen.
Nach den Erfahrungen dieses Seminars zu schließen, müsste eine solche Veranstaltung auch für Kinder von EinwandererInnen aus anderen Nationen (insbesondere nicht-europäischen) interessant und sinnvoll sein. Die Probleme der zweiten Generation dürften im Pri