Veröffentlichungen von Urmila Goel

Urmilas ganz persönliche Diwali-Geschichte

aufgezeichnet von ihrer Namensbase Urmila Goel

Namaste! Mera nam Urmila hain. Mein Name ist Urmila. Heute ist Diwali. In meiner Heimatstadt und in vielen anderen indischen Städten feiern sie heute die Rückkehr meines Schwagers Rama nach Ayodhya. Mir aber ist gar nicht nach feiern zumute. Lasst mich meine Geschichte erzählen. Dann könnt Ihr das vielleicht verstehen.

Habt Ihr schon einmal von Urmila gehört? Nein, ich meine nicht die Filmschauspielerin! Also nicht? Das wundert mich nicht. Von mir wird nicht viel gesprochen. Meine Schwägerin Sita ist in aller Munde und natürlich ihr Mann Rama. Und ab und zu wird auch sein Bruder, mein Mann Lakshman erwähnt. Aber eben nur als sein Bruder, nicht als mein Mann. Was das alles mit Diwali zu tun hat? Lasst es mich Euch erzählen:

Ich fange ganz am Anfang an, damit Ihr auch wisst worum es geht. Also, alles fing an, als mein Vater König Janaka ein Mädchen fand. Er fand sie in der Erde als er ein Opfer vorbereiten wollte. Und wegen dieses ungewöhnlichen Ortes und Umstandes nannte er sie Sita und nahm sie als Tochter an. Sie war etwas ganz besonderes und so bestimmte mein Vater, dass nur ein Prinz, der Stärke beweist, sie zur Frau nehmen könne.

Für den Beweis der Stärke spielte dann ein Bogen eine Rolle, aber wenn ich auch noch dessen Geschichte erzählen würde, ginge das eindeutig zu weit und ich käme nie bis Diwali, denn bis dahin passiert noch so einiges.

Na ja, wie dem auch sei, Rama kam, spannte den Bogen und bekam meine Schwester Sita zur Frau. Und da mein Vater schon mal dabei war Töchter zu verheiraten, versprach er mich auch gleich Ramas Bruder Lakshman. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich gefragt wurde, aber das war auch nicht so üblich. Schon am nächsten Tag – wenn ich mich recht erinnere – wurde dann Vierfach-Hochzeit gefeiert. Ja, Ihr habt richtig gehört Vierfach! Meine beiden Cousinen wurden auch gleich noch mit Ramas weiteren Brüdern verheiratet. So wurden wir Teil des Königshauses in Ayodhya und ich wurde sogar im großen Epos Ramayana erwähnt.

Wir waren gerade erst dabei uns in Ayodhya einzurichten, da gelang es einem bösen Weib – es sind immer die Frauen Schuld! – Ramas Weihung zum König zu verhindern. Sein Vater schickte ihn stattdessen für 14 Jahre in Verbannung. Wer die Details wissen will, der soll in die Ramayana schauen. Da wird erzählt wie Ramas Stiefmutter von dem bösen Weib dazu überredet wird, dem König das Versprechen abzunehmen, ihren Sohn zu krönen und Rama in die Verbannung zu schicken. Ich erzähle Euch hier, was nicht im Epos steht bzw. da nicht weiter ausgeführt wird.

Na ja, also meine Schwester Sita - emotional wie sie ist – wollte nicht so kurz nach der Hochzeit schon von ihrem Mann getrennt werden und flehte ihn an, mitkommen zu dürfen. Und wie junge Männer so sind, konnte er der Frau natürlich nicht widerstehen. Sie durfte ganz romantisch mit ihm in den Wald ziehen. Da wollte dann auch mein Mann nicht hinten anstehen und legte los: Nein, er könne seinen Bruder nicht alleine ziehen lassen. - Dabei war der ja gar nicht alleine. Sita war ja an seiner Seite. Aber Frauen zählen für Lakshman wohl nicht. Aber das ist wieder ein anderesThema.

Daher zurück zur Geschichte: mein Mann verkündete, er und Rama seien doch wie die Ashvins – ihr wisst die Zwillingssöhne der Sonne, die Ankündiger der Dämmerung und so weiter – also wie die beiden seien auch sie untrennbar. Das hörte Rama natürlich gerne und also durfte auch Lakshman mit.

Mich fragte wieder keiner. Aber ich war ja schon bei der Hochzeit nicht gefragt worden. Und eigentlich kannte ich Lakshman ja auch noch gar nicht so richtig, als er dann mit den beiden anderen in den Wald zog. Ich musste derweil sehen, wo ich bleibe bzw. besser gesagt, was ich nun alleine in Ayodhya machen würde.

Mein Mann Lakshman folgte Rama und Sita, baute ihnen eine Hütte, jagte für sie, kurz tat alles, was sein Bruder von ihm wollte. - War vielleicht gar nicht so schlimm, dass er nicht bei mir war. - Und Sita war hübsch und treu und so. Und Rama stark und so weiter. Und vor allem stur. Sein Bruder Bharata, der statt seiner zum König geweiht werden sollte, flehte ihn an zurückzukommen, und alle anderen auch. Aber Rama blieb standhaft. Für 14 Jahre war er verbannt und so sollte es auch bleiben. Die Folgen seiner Standhaftigkeit hatten dann alle anderen auszubaden. Nicht nur Sita und Lakshman. Auch der arme Bharata, der ganz gegen seinen Wunsch König werden musste. Mein Schwiegervater, der alte König starb vor Gram. Ich hatte es vielleicht am besten getroffen, denn ich konnte machen, was ich wollte. Na ja, in engen Grenzen natürlich. Ich war ja Ehefrau und konnte mich daher nur unter Frauen bewegen. Keinen Mann sah ich an. Aber das war nun auch nicht weiter schlimm.

Tja, und die Geschichte der Verbannung ging weiter. 14 Jahre sind schließlich eine lange Zeit. Sita wurde entführt. Rama und Lakshman suchten sie. Dabei bekamen sie auch Hilfe. Insbesondere von Hanuman – den Affenkönig kennt Ihr doch? Der wird von meiner Familie noch heute angebetet. Da könnte ich auch noch mehr zu erzählen, aber das lenkt mal wieder von der eigentlichen Geschichte ab.

Während ich also in Ayodhya quasi festgehalten wurde, also das Schicksal einer Frau führte, wanderten die beiden Brüder durch ganz Indien und querten dann sogar das Meer nach Lanka – die Insel wurde später von den Briten Ceylon genannt und heißt heute Sri Lanka. Nach Lanka gingen die beiden, denn dorthin hatte der böse Ravana die schöne Sita entführt. Es ging dann hoch her mit allen möglichen Schlachten. Zwischendurch sahen Rama und Lakshman aber auch, dass sie da auf einem ganz schönen Fleckchen Erde gelandet waren. Ich bin ja erst viel später dorthin gekommen. Es ist wirklich wunderschön da. In Kandy war ich in einem traumhaften Guest House. Aber ich komme schon wieder vom Thema ab.

Also zurück zur Ramayana. Ich gebe Euch hier einfach mal die Schnellzusammenfassung. Also es ging wild hin und her. Es sah schon so aus, dass sowohl Sita wie ich Witwen werden sollten. Und das wäre nun wahrlich kein schönes Ende gewesen. Da hätten wir nur noch weiß tragen dürfen, unser soziales Leben wäre zu Ende gewesen. Aber wie es bei Märchen, entschuldigt bei großen Epen so ist, am Ende siegt natürlich das Gute. Und das Gute ist natürlich Schwager Rama. Der übrigens nichts mit der Margarine zu tun hat. Das A am Ende eines Wortes spricht man eigentlich nicht aus und so ist Ram und Rama das Gleiche. Also er befreit dann mit tatkräftiger Unterstützung von Hanuman und meinem Mann Sita. Und was macht er dann?

Nein, er nimmt seine lang vermisste Frau nicht in die Arme, herzt und küsst sie. Das gehört sich natürlich nicht in der Öffentlichkeit. Aber er muss sich noch nicht mal zurücknehmen. Denn da sie ja bei einem anderen Mann gelebt hat - auch wenn das unfreiwillig war - und da sie hübsch ist, muss sie ihn entehrt haben. Also verstößt er sie. Er hat sie nicht um ihretwillen befreit, sondern um seine Ehre zu retten. Meine liebe Schwester Sita aber – sie ist ja so gut und treu! – hatte sich die ganze Zeit erfolgreich gegen Ravana gewehrt und war tatsächlich ganz unschuldig. Es reichte aber nicht, dass sie das beteuert. Nein, sie musste erst durchs Feuer gehen, um ihre Unschuld zu beweisen. Wenn Ihr das nicht direkt in der Ramayana nachlesen wollt, könnt Ihr Euch auch den Film Fire anschauen, da kommt das alles auch vor.

Nachdem Sita also erfolgreich ihre Unschuld bewiesen hatte, nahm Rama sie dann doch zurück und dann machten sie sich mit Lakshman auf den Rückweg nach Ayodhya. Hier waren dann alle ganz glücklich und freuten sich, dass der strahlende Held Rama wieder da war. Und auch an mich erinnerte man sich. Nein, es war nicht Lakshman, der sich an mich erinnerte und zu mir eilte. Der war noch ganz damit beschäftigt seinem Bruder Rama zu Hilfe zu sein. An erster Stelle steht natürlich der Bruder. Aber Sita war ja wieder da und so wurden wir Schwestern gerufen, um sie für die Krönung ihres Mannes zu schmücken. Ich kann ja mit den ganzen Juwelen und so nicht so viel anfangen, aber ich freute mich schon, meine Schwester wieder zu sehen. Wir sind zwar sehr unterschiedlich, sie ist mir ja zu brav und zu sehr ihrem Mann ergeben, aber sie ist meine Schwester und ich liebe sie. Insofern ist Ramas Rückkehr nach Ayodhya – und das wird ja an Diwali gefeiert – natürlich auch ein Freudentag für mich.

Dumm für mich war nur, dass nun Lakshman auch zurückkam. Mein Ehemann. Wir hatten uns ja nur ein paar Tage gesehen und das war nun auch schon 14 Jahre her. Was sollte ich nun mit ihm anfangen? Zum ersten mal seit seiner Abreise war nun ein Mann im Hause. - Doch wirklich! Was hätte ich in der Zwischenzeit auch mit Männern gesollt? Die Gesellschaft von Frauen hat mir völlig gereicht. Und Lakshman hat das auch nicht weiter in Frage gestellt, ich musste keine Feuerprobe zum Beweis meiner Unschuld machen. Sie wäre zwar kein Problem gewesen. Wie Radha – im Film Fire macht Radha die Feuerprobe und nicht ihre Schwägerin Sita, aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte - also wie Radha hätte ich sie wohl bestanden. Aber trotzdem muss es ja nicht sein, ins Feuer zu gehen. Schon alleine die Idee finde ich nicht so angenehm.

Zum Feiern ist mir nun allerdings, wie ich schon am Anfang gesagt habe, nicht zumute. Was soll ich feiern, dass ich nun einen Herren und Gebieter habe? Einen der mich vierzehn Jahre lang ohne mit der Wimper zu zucken, alleine gelassen hat. Was soll ich Rama feiern, der meiner Schwester nicht getraut hat?

Aber ob ich nun feiern will oder nicht, spielt ja auch weiter keine Rolle. Ich bin schließlich nur eine Frau. Und ein Ladhu würde ich schon auch nehmen. Habt Ihr noch eins für mich?

© Urmila Goel, www.urmila.de 2004