Veröffentlichungen von Urmila Goel

„Brain gain“ nicht „brain drain“
- Regionale Konferenz in Kathmandu fordert Liberalisierung internationaler Arbeitsmigration -

erschienen in: Meine Welt, 21/1, 48.(abgedruckt in: DIG Berlin, Indien-Info, 68/2004, 1-2 und in: Südasien 25/1/2005, 11)

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„Nur bei Arbeitsmigration haben die Entwicklungsländer gegenüber den entwickelten Ländern einen komparativen Vorteil“, betonte der Bangladeshi Mesbahuddin Ahmed am 23. August 2003 auf einer südasiatischen Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung im Vorfeld der Cancuner WTO-Verhandlungen in Kathmandu. Er forderte daher, dass die industrialisierten Länder nicht nur für freien Handel und die Liberalisierung des Kapitalmarkts eintreten, sondern auch ihren Arbeitsmarkt für Migranten aus den Entwicklungsländern öffnen sollten. Diese Forderung teilten auch die anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Bangladesch, Indien, Nepal, Pakistan und Sri Lanka. Bei ihrer Vorbereitung zu der Ministerkonferenz in Cancun wiesen die Expterinnen und Experten aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft auf die fehlende Balance in den WTO-Regeln zur Liberalisierung des Welthandels hin. Dort wo Liberalisierung zu Gunsten der Reichen ginge, werde sie eingefordert und den Entwicklungsländern vorgeschrieben. Dort wo nationale Interessen der industrialisierten Länder gefährdet schienen, aber sei Protektionismus nach wie vor angesagt.

Die Länder Südasiens können - wie die anderen Entwicklungsländer - auf dem Weltmarkt nicht in kapitalintensiven Branchen konkurrieren. Sie haben aber ein großes Reservoir an Arbeitskräften - sowohl unqualifizierte wie hoch qualfizierte. Arbeitsmigration hat in Südasien eine lange Tradition. Da die Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten in Südasien begrenzt sind, ist die Bereitschaft zur internationalen Migration gegeben – selbst wenn die Arbeitsbedingungen im Aufnahmeland schlecht sind. Die Beschäftigten der industrialisierten Länder hingegen sind weniger mobil. Bei gleicher Qualifikation fordern sie bessere Arbeitsbedingungen. Damit haben Südasiaten auf dem internationalen Arbeitsmarkt einen komparativen Verteil und das nicht nur bei den unqualifizierten Arbeitern. Nach den Grundsätzen der Volkswirtschaft – die beim Handel und Kapitalmarkt immer wieder zitiert werden - würden sowohl die entsendenden wie die aufnehmenden Länder von einer Liberalisierung bei der Arbeitsmigration profitieren. Trotzdem kommt es nicht dazu.

In der westlichen Welt herrscht Angst vor Einwanderung vor und überlagert alle ökonomischen Überlegungen. Es wird – auch wenn Volkswirte dies längst wiederlegt haben – argumentiert, dass Arbeitsmigration aus dem Süden die Arbeitslosigkeit im Norden vergrößern würde. Hinter diesem scheinbar wirtschaftlichen Grund liegen aber andere Ängste. Die Länder des Westens haben festgestellt, dass sie zwar Gastarbeiter gerufen haben, aber Menschen gekommen sind. Menschen, die nicht nur arbeiten sondern auch am sozialen und politischen Leben ihres Aufnahmelandes teilhaben, ob sie wollen oder nicht. Das aber bringt Änderungen mit sich, die auch Auswirkungen auf die Mehrheitsgesellschaft haben. Da diese nicht gewünscht sind, sollen die Grenzen für Arbeitsmigranten geschlossen bleiben.

Deshalb, so Christopher Ng vom Union Network International, bevorzugen die Regeln des Mode 4 der GATS die weltweite Mobilität von Arbeitnehmern innerhalb eines Unternehmens, beschränken aber jene von Arbeitern aus den Entwicklungsländern. Zusätzlich wirken eine ganze Reihe anderen Beschränkungen. So sind Visa und Arbeitsgenehmigungen für die industrialisierten Länder nur mit Schwierigkeiten zu bekommen. Berufliche Qualifikationen aus Entwicklungsländern werden nur dann problemlos anerkannt, wenn die Arbeitsmigration vom Aufnahmeland gewollt ist. Es gibt Quoten, Tests und Spezialregelungen, deren Ziel die Beschränkung der Mobilität sind.

Dabei wäre liberalisierte Arbeitsmigration effektive Entwicklungshilfe. Schon heute sind die Rücküberweisungen von Migranten nach Südasien ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. So betont auch der indische Arbeitsexperte Uday Verma in seinem Vortrag, dass die Emigration von Arbeitskräften von Vorteil für Indien sei. Die Überweisungen kommen nicht nur den Familien zugute, ein Teil wird auch investiert. Zudem kommen auf diesem Weg dringend benötigte Devisen ins Land.

Migration wirkt auch als Sicherheitsventil für die angespannten Arbeitsmärkte in Südasien. Häufig waren die Migranten in ihrem Herkunftsland arbeitslos – sowohl die unqualifizierten wie die hoch qualifizierten – und reduzieren durch ihren Weggang sowohl die Arbeitslosigkeit wie auch die Unzufriedenheit. Dies gilt insbesondere für bestimmte Regionen wie Kerala in Südindien. Pradeep Mehta von der indischen Organisation CUTS fügt hinzu, dass Arbeitsmigration nicht „brain drain“ sondern „brain gain“ bedeutet. Die Migranten kämen mit neuem Wissen zurück und könnten dies dann produktiv in ihrem Herkunftsland einsetzen.

Auch wenn für sie alle eine Liberalisierung der Arbeitsmigration im Interesse der südasiatischen Länder ist, sind sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz auch einig, dass Migranten auch viele Probleme mit sich bringt. Gerade im Nahen Osten arbeiten viele südasiatischen Migranten unter schlechten Arbeitsbedingungen. Versprechungen und internationale Normen werden oft nicht eingehalten. Insbesondere Frauen werden ausgebeutet und misshandelt. Daher fordert Christopher Ng, dass die Rechte von Arbeitsmigranten verbindlich geregelt werden und die Arbeitsnormen eingehalten werden.

© Urmila Goel, www.urmila.de 2003