Sommersemester 2005 - Andere Deutsche - Migration und hybride Identitäten
Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder
Dozentin: Dr. Urmila Goel, viadrina@urmila.de
Mehr Informationen auf www.urmila.de/viadrina

Die Studierenden des Seminars Andere Deutsche - Migration und hybride Identitäten beobachten seminarbegleitend "Andere Deutsche" an virtuellen oder physikalischen Orten. Auf dieser Website werden ihre unredigierten Feldwochenberichte online gestellt. Es sind erste Versuche der Feldbeobachtungen und haben nicht den Anspruch fehlerfrei zu sein. Bei Fragen und Kommentaren wenden Sie sich bitte an die Seminarleiterin Dr. Urmila Goel.

Feldbeobachtung von Kristina Müller

Südostasiatische Communities

11.07.05:

In den vergangenen zwei Wochen habe ich mich in erster Linie mit dem Eingrenzen eines Themas meiner Hausarbeit befasst. Davon war auch meine Felduntersuchung, die ja die empirische Basis für die Hausarbeit liefert, bestimmt. Nachdem ich nun in der Sprechstunde das Thema „Der Preußenpark als ein durch soziale Handlung und Kommunikation geschaffener Raum (Anderer Deutscher südostasiatischer Herkunft)“ festgelegt hatte, ging es dann darum, sich Fragen zu überlegen, die Auskunft über Aspekte der Fragestellung liefern können, allerdings ohne zu festgelegt zu sein. Insgesamt habe ich mich dafür entschieden, Gruppeninterviews zu führen. Folgende Fragekomplexe habe ich dann zusammengestellt, wobei je nach Auskunftsbereitschaft und Entwicklung des Interviews nur einige oder alle Fragen gestellt werden sollen:

1) Was haltet ihr vom Konzept „Andere Deutsche“? Könnt ihr damit etwas anfangen? Wie versteht ihr euch selbst?

2) Kommt ihr oft in den Park? Trefft ihr euch auch woanders? Sind eure Eltern auch hier? Warum kommt ihr her? Was macht ihr, wenn ihr hier seid?

3) Spielt es für euch unter einander eine Rolle, ob jemand oder dessen Eltern aus Thailand, Laos oder Vietnam kommt oder ist das egal?

Diese habe ich dann in der letzten Woche im Preußenpark angewandt. Zunächst einmal war meine Hemmschwelle auf fremde Leute zuzugehen schon ziemlich groß und mich würde interessieren, ob das nur mir so geht und was man dagegen tun kann. Ich habe mich für den Weg nach vorn entschlossen und die Gruppe, die ich dann interviewte, war auch recht aufgeschlossen. Ich habe mich im Weitesten an meine Fragen gehalten. Zunächst einmal handelte es sich bei der Gruppe um eine Frau und zwei Männer. Die Frau sagte mir, dass sie 27 Jahre alt sei und auf die Frage, als was bzw. als wer sie sich selbst sehe, sagte sie, sie sei halb Thailänderin und halb Deutsche und hat sich insofern in dem Konzept von Mecheril wieder gefunden. Die beiden Männer haben sich selbst als Koreaner bezeichnet, dennoch würde ich auch sie als „Andere Deutsche“ bezeichnen, da sie auch über ihre Bildung (der eine von den beiden studiert) in Deutschland sozialisiert sind.

Auf die Frage, warum sie hier seien, erklärte mir einer der beiden Männer, dass er über seine, er sagte, „thailändische Freundin“ hier sei (es handelte sich um die Frau aus der Gruppe) und ihre Eltern allerdings nicht im Park seien (das gilt für alle drei). Die junge Frau ihrerseits kannte den Park schon länger und ihr Anlass in den Park zu gehen, war vor allem das Essen, Leute zu treffen und auch eigene Dinge zu verkaufen (sie hatte vor sich auf einer Decke Modeaccessoires und Schmuck im „Hello Kitty“-Stil ausgebreitet).

In Bezug auf die Frage, wie sie die Qualität des Unterschieds[1] von „Asiaten unter sich“[2] wahrnehmen, antwortete mir einer der beiden Männer, dass er an der Uni des Öfteren und eher von anderen Asiaten als Asiate angesprochen wird und es auch in Ordnung findet, weil man, da man in der Minderheit ist, irgendwie Ansprechpartner suche. Daraufhin wandte der andere junge Mann ein, dass Asiaten allerdings untereinander sehr unterschiedlich seien, woraufhin ersterer jedoch feststellte, dass im Gegensatz zu Deutschen irgendwie eine Zusammengehörigkeit bestehe.

Insgesamt fand ich das Interview sehr aufschlussreich und auch meine Fragen kann ich ohne große Veränderungen so beibehalten.

Eine andere Sache, die im Park am vergangenen Wochenende passiert ist und auf die ich kurz eingehen möchte, ist die Tatsache, dass die Polizei vor Ort war. Anlass war ein leichter Unfall am Rande des Parks, bei dem der Notarzt gerufen wurde und nach einer Zeit eben auch die Polizei kam. Auch wenn der Anlass für alle klar war, so sorgte die Anwesenheit von zwei Polizisten, die quer durch den Park gingen (anstatt alternativ den normalen Weg um den Park herum zu benutzen), für einige Unruhe, ohne dass konkret etwas passierte. Dadurch bekam das normale Geschehen (Sitzen, Reden, Essen und Spielen) so etwas Angespanntes, was eigentlich meines Erachtens gar nicht nötig gewesen wäre und die Situation unverdächtiger gewesen wäre, wenn alle sich weiter ganz normal verhalten hätten. Aber ich denke, der Grund für diesen Stimmungswechsel war, dass man dachte, dass die Polizei, wenn sie schon mal da ist, vielleicht eine Ausweiskontrolle durchführen würde. Ich hatte vor einiger Zeit einmal gehört, dass es im Preußenpark auch Migranten mit unklarem Aufenthaltsstatus geben solle, weshalb die Sorge angesichts deutscher Abschiebepraxis vielleicht in einigen Fällen durchaus berechtigt war. Ein andere Sache für die Anspannung sind möglicherweise die hygienischen Verhältnisse beim Kochen, die meines Erachtens gut bis sehr gut sind, aber die zum Teil vielleicht nicht der deutschen Rechtslage entsprechen. Letztendlich ist die Polizei nach einer Viertelstunde wieder abgezogen und im Park war die Stimmung dann wieder so, als sei nichts passiert.


[1]  Ich hatte die Frage formuliert, aber das war so der Sinn und das worauf ich hinauswollte.

[2] Die Annahme, die in dieser Frage drin steckt, dass Asiaten irgendwie gemeinsam anders seien und sie das irgendwie solidarisiert, hat natürlich auf den ersten Blick eine gewisse Tendenz zur alienierenden Fremdzuschreibung. Ich habe mich dann allerdings dafür entschieden, sie so zu stellen, weil ich erstens diese Aussage oft von Anderen Deutschen asiatischer Herkunft gehört habe und zweitens, um zu schauen, wie sie auf so einen Mainstream-Diskurs reagieren.

20.06.05:

Nach einer längeren Pause war ich in der letzten Woche am Sonntagnachmittag im Preußenpark. Aufgrund des schönen Wetters war es sehr voll und belebt. In Anlehnung an die letzte Seminarsitzung hatte ich mich entschlossen, mit Interviews zu beginnen.

Was die Fragen anbelangt, so habe ich mich an die Empfehlungen aus dem Seminar gehalten. Ich habe mit einer kurzen Vorstellung meiner Person begonnen und erläutert, warum ich im Park bin, wegen nämlich einer wissenschaftlichen Untersuchung zu Anderen Deutschen. Dann ging es um die Erklärung, was sind Andere Deutsche, die ich mithilfe der Definition von Mecheril (1997) gemacht habe. Daraus ergab sich dann die Frage, ob der/die Angesprochene mit diesem Konzept etwas anfangen kann, ob er/sie sich selbst so bezeichnen würde oder wie er/sie sich selbst sieht? Wie er/sie reagiert, wenn ihn/sie jemand fragt, woher er/sie komme,

Meine Befragungen haben sich in dieser Woche auf Leute beschränkt, die ich kannte. Ich wollte erst einmal sehen, wie die Reaktionen sind und ob ich an den Fragen etwas ändern sollte, bevor ich andere befrage.

Bei dem ersten Befragten hat es eine Weile gedauert, bis er das Konzept Andere Deutsche verstanden hat. Das lag weniger an allgemeinen sprachlichen Problemen, sondern eher an den Begrifflichkeiten, die Mecheril verwendet[1]. Deshalb konnte er sich nicht direkt mit diesem Begriff identifizieren. Seine eigene Identität sah er  als „halb und halb“ (also: halb deutsch, halb „asiatisch“). Dabei ging es weder um ein weder/noch, noch um ein sowohl/als auch, sondern je nach Kontext sieht er sich stärker als das eine oder das. Ähnlich verhält es sich auch bei der Frage, wie er reagiere, wenn ihn jemand fragt, woher er komme.

Wenn er in Berlin ist oder im Park im Speziellen, würde er darauf mit: „Ich komme aus Laos“ antworten. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Fragesteller selbst eher als Mehrheitsdeutscher oder als Anderer Deutscher zu sehen ist. Wenn er sich jedoch in einer anderen Stadt befindet oder im Ausland, würde er sagen: „Ich komme aus Berlin.“

Ein ähnliches Bild hat sich auch bei dem anderen Befragten ergeben. Das Problem war, dass er die Antworten des ersten Befragten kannte und dem zugestimmt hat. Inwieweit er durch die Antworten in seinen eigenen Überlegungen beeinflusst worden ist oder ob er das in der Tat genauso empfindet, ist nicht ganz eindeutig. Daraus ergab sich für mich die Frage, ob man bei so einer Untersuchung auf Gruppenbefragungen verzichten sollte oder wie man die Fragen stellt, damit man individuellen Antworten erhält.


[1] Daraus ergibt sich die Frage, ob man das Konzept Andere Deutsche nicht auch anders wiedergeben kann, ohne den Kern der Aussage damit zu verändern. Auch wenn es ein bisschen komplex ist, finde ich die Definition schon sehr treffend.

06.06.05:

Nachdem ich in der letzten Woche aus Zeitgründen keine Felduntersuchung machen konnte, war ich diese Woche am Samstagnachmittag im Preußenpark. Ich war bereits in den letzten zwei Jahren im Sommer sporadisch im Preußenpark, aber durch die Untersuchung, durch die ich nun fast jede Woche dort bin, bekomme ich einen Überblick über Personen, die regelmäßig dort sind oder merke, wenn sich etwas verändert. Außerdem muss ich sagen, dass dadurch mein Bild, das ich anfangs vom Park hatte, ein bisschen ernüchtert wird. Das ist nicht negativ zu verstehen. Es ist eher so, dass der Park für mich nicht mehr so außergewöhnlich ist.  Zum einen nehme ich die Dinge und Personen, die ich sehe, nicht mehr so sehr als etwas Fremdes wahr. Zum anderen ist der Park nicht so „asiatisch“, wie ich ihn anfangs wahrgenommen hatte. Es gibt viele Menschen, die dem Bild des Mehrheitsdeutschen entsprechen würden bzw. einer anderen Form von Anderen Deutschen (bsp. Schwarze Deutsche oder Deutsche brasilianischer Herkunft usw.). Der Unterschied zu anderen Parks besteht wohl eher darin, dass es eine große Gruppe Asiaten gibt, die beieinander sitzt und die durch eine unsichtbare Grenze von den anderen getrennt zu sein scheint, obwohl die Grenze in beide Richtungen offen ist.

Was ist mir in dieser Woche aufgefallen? Meine Beobachtungen waren ein bisschen diffus, weil ich nicht, wie geplant, eine Gruppe Transvestiten untersuchen konnte: Entweder sie waren nicht da oder ich habe sie einfach nicht gesehen oder, was wahrscheinlicher ist, sie sind nicht zusammen als Gruppe in Erscheinung getreten. Dazu muss man sagen, mir sind sie im letzten Jahr bei mehreren Parkbesuchen als Gruppe aufgefallen, d.h. sie treten prinzipiell durchaus zusammen als Gruppe auf.

Aufgrund dieser Tatsache, habe ich mein Forschungsinteresse in dieser Woche auf die Menschen gelegt, die man der Mehrheitskultur zuordnen würde. Dabei geht es jetzt nicht um solche, auf die ich mich bereits in einem der ersten Feldwochenberichte bezogen habe, die in der Gruppe der Asiaten mit sitzen und persönliche Kontakte zu ihnen haben, sondern um die, die unabhängig davon den Park auch für sich nutzen und sich beispielsweise sonnen oder grillen und somit optisch das Gegenstück zu der asiatischen community bilden, ich musste dabei an das Kulturkonfliktkonzept denken.

Darüber hinaus liefen drei vermeintliche Zivilpolizisten durch den Park, drei ältere Herren in legerer Kleidung, die besonders interessiert die Tätigkeiten bei den Essensständen und Spielrunden beobachteten. Zudem lief ein kleines Kamerateam vom RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) durch den Park. Es war aber nicht ersichtlich, was und wie lange sie gefilmt haben.

Insgesamt scheint also das Interesse von Deutschen, die der Mehrheitskultur zuzuordnen sind, am Park relativ groß, wenn auch durchaus unterschiedlich. Demnach ist auch die Reaktion von Seiten der „Asiaten“ unterschiedlich: so werden Polizisten, auch vermeintliche, selbstverständlich mit mehr Misstrauen betrachtet als gewöhnliche Parkbesucher.

23.05.05:

Wie bereits angekündigt habe ich mich in dieser Woche mit dem Spielplatz, der direkt neben dem Preußenpark ist, beschäftigt. Ein Grund dafür ist die Vermutung, dass die meisten Kinder, die dort sind noch besser in die Definition von Anderen Deutschen passen als ihre Eltern im Park. Ob und wie das zutrifft, soll im Folgenden geklärt werden.

Auf dem Schild stand Spielplatz für Kinder und Jugendliche. Dem entsprechend gab es einen Sandkastenbereich mit Klettergerüst und eine Holzburg mit Wasserpumpe für die kleineren Kinder und am Rand ein mit einem Zaun abgetrenntes Basketballfeld für Jugendliche.

In dem Sandkastenbereich gab es mehrere Gruppen von Kindern im Alter von 2-8 Jahren. Besonders aufgefallen ist mir eine „gemischte“ Gruppe von ca. 15 Kindern, die zusammen bei der Holzburg und der Pumpe einen kleinen Fluss im Sande gebaut haben. Diese Gruppe (Jungs und Mädchen) umfasste sowohl Kinder, von denen offensichtlich kein Elternteil südostasiatischer Herkunft ist, Kinder, deren beide Elternteile offensichtlich  südostasiatischer Herkunft sind (also die so genannte 2. Generation) und Kinder, von denen jeweils nur ein Elternteil südostasiatischer Herkunft ist (bikulturelle). Insgesamt kann man allerdings sagen, dass es für die Kinder irrelevant war, ob sie untereinander „anders“ sind, zumindest schien es ihr Spiel nicht zu beeinträchtigen.

Auf der anderen Seite gab es eine kleinere Gruppe von Mädchen, die zusammen im Sand gespielt haben und sich auf Thai (?) unterhalten haben. Ein hellblondes Mädchen kam auf den Spielplatz und ist an der Gruppe vorbeigegangen und hat überrascht geschaut, ist aber weitergegangen, ohne etwas zu sagen oder ohne zu versuchen, sich dazuzusetzen. Die anderen Mädchen haben nicht auf sie geachtet.

Diese Beispiele zeigen meines Erachtens, dass man weder sagen kann, dass die Wahrnehmung von äußeren, physiognomischen und sprachlichen Unterschieden (die ja oftmals die Grundlage für Ausgrenzungsverhalten von Anderen Deutschen durch andere Deutsche bilden) bei den Kindern noch nicht da ist, noch dass sich daraus konkrete Verhaltensweise ableiten lassen.

Prinzipiell wird ja angenommen, dass sich gerade im Kindergartenalter erste Ausgrenzungsmechanismen herausprägen.

Auf dem Basketballfeld gab es nur Jungs im Alter von 14- 17 Jahren, die aber auch sowohl Andere Deutsche als auch andere Deutsche waren.

Andere Kinder, vor allem im Alter zwischen 8-15 Jahren, die sich nicht permanent auf dem Spielplatz aufhielten, waren im Park bei ihren Eltern und haben dort miteinander gespielt bzw. bei den Erwachsenen beim Spiel zugeschaut.

In Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Kinder, zumindest, wenn sie im Kindergarten- oder Schulalter sind, zweisprachig sind (also Sprache der Eltern und Deutsch), war ich überrascht, dass es auf den ersten Blick eine gewisse Willkürlichkeit zu geben scheint, wann sie die eine oder andere Sprache benutzen, zumindest wenn sie untereinander sind. Mit ihren Eltern sprechen sie meist nicht Deutsch und mit anderen deutschen Kindern reden sie Deutsch, obwohl es hier sicher auch bewusste Spielarten des Verwechselns gibt. Aber wenn sie untereinander sind, dann reden sie mal Deutsch und mal Vietnamesisch oder Thai.

Das hat mich auf die Idee gebracht nach möglichen Situationen und Erklärungen zu schauen, wann sie die eine oder andere Sprache, wohlgemerkt nur untereinander (!), benutzen:

  1. Sie reden dann untereinander Deutsch,

a) wenn sie nicht die gleiche Herkunftssprache haben (also Thai und Vietnamesisch)

b) wenn sie sich von ihren Eltern abgrenzen wollen

(c) wenn sie auch von nicht-Anderen Deutschen verstanden werden wollen)

d) wenn es Sachverhalte gibt, die sie nicht (oder nicht mehr) in der Herkunftssprache ihrer Eltern ausdrücken können (weil sie sie nicht richtig gelernt haben), weil sie ja in erster Linie in Deutschland sozialisiert sind und die Begriffe in der anderen Sprache nicht kennen.

 

  1. Sie reden dann untereinander Vietnamesisch/Thai/Lao,

a) wenn sie wissen, dass sie von den anderen Gesprächsteilnehmern verstanden werden

b) wenn sie von nicht-Anderen Deutschen nicht verstanden werden wollen

c) wenn sie mit ihren Eltern bzw. Familie reden (Ich habe zwei Geschwister beobachtet, die die ganze Zeit Deutsch miteinander geredet haben und plötzlich redet der ältere Bruder Vietnamesisch zu seiner Schwester. Dieser Wechsel von Deutsch auf Vietnamesisch wurde von einem Anderen Deutschen so gewertet, dass es der Aussage mehr Autorität verleihe)

3. Sie reden manchmal untereinander eine Mischsprache, die sie gleichermaßen von ihren Eltern und anderen Deutschen abgrenzt, weil sie eine gewisse Leichtigkeit des Wechsels zwischen den Sprachen voraussetzt, die nur ihrer eigenen Lebensrealität als Andere Deutsche entspricht. (Ich weiß, dass es diese Variante gibt, aber ich habe sie gestern im Park nicht beobachten können.)

16.05.05:

Ich war in der letzten Woche am Freitagnachmittag für zwei Stunden im Preußenpark.

Es waren ungefähr zweihundert Personen auf dem Platz, was nicht besonders viel ist. Aber aus Erfahrung ist zu erwarten, dass im Laufe des Sommers, wenn es wärmer wird, mehr Leute in den Park kommen.

Für mich als Außenstehende macht es immer wieder den Eindruck, als kennen sich die Leute untereinander.

Einerseits ist das vielleicht ein generelles Problem, dass man Leuten, die scheinbar Gemeinsamkeiten untereinander haben, die sie vom Standardtypus unterscheiden, unterstellt, diese Gemeinsamkeiten auch so wahrzunehmen und ihnen damit eine gewisse Solidarität miteinander unterstellt. Allein schon der Begriff „Asiaten“ ist ein gutes Beispiel dafür. Wie sehr diese Gemeinsamkeit von außen konstruiert ist, merkt man dann, wenn sie untereinander ganz selbstverständlich Deutsch sprechen, da ihre Muttersprachen bzw. Herkunftssprachen Vietnamesisch und Thai grundverschieden sind (obwohl die meisten ein paar Brocken Thai sprechen) oder sie diese gar nicht richtig beherrschen.

Aber diese Gemeinschaftsunterstellung wird meines Erachtens nicht nur von außen an die Gruppe heran getragen, sondern auch innerhalb der Gruppe scheint es eine gewisse Selbstverständlichkeit der Gruppenzugehörigkeit zu geben. Paul Mecheril schreibt in dem Kapitel zum Verhältnis Anderer Deutscher zu Mitgliedern der Herkunftskultur, dass je anonymer der Kontakt in der Gruppe wird, auch von Seiten der Repräsentanten der Herkunftskultur das Aussehen Anderer Deutscher als Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe gewertet wird (Vgl. Mecheril 1994: 69).

Anders als vielleicht in einem Kulturverein, sind die Beziehungen im Park insgesamt viel lockerer (im Sinne von Mecherils Anonymität) und zweckgebundener (Essen und Spielen), obwohl sich wie bereits vormals erwähnt, Gruppen herausbilden, die untereinander sehr eng miteinander verbunden sind. Und die Tatsache, dass die Leute immer wieder kommen, lässt sich nicht allein mit direktem Zweck erklären.

Dennoch gibt es Anzeichen für eine vorausgesetzte Zugehörigkeit. Nach meiner Beobachtung äußert sich das beispielsweise darin, dass sich viele Asiaten gegenseitig begrüßen, wenn sie aneinander vorbeigehen, auch wenn sie sich nicht kennen. Zum Teil mag das strukturell bedingt sein. Man sitzt den ganzen Sommer beieinander, Jahr für Jahr, man kennt sich vom Sehen und es bildet sich eine Art Rollenverteilung heraus: Bei wem gibt es gutes Essen usw. Ein Beispiel dafür ist der „Aloi-Aloi“-Mann, ein älterer Herr, den alle kennen und erkennen, der die ganze Saison durch den Park läuft und „Aloi! Aloi!“ (thai für lecker, lecker) ruft und Süßigkeiten verkauft.

Was andere Rollenverteilungen in der Gruppe betrifft, so möchte ich mich die nächsten Male bei meiner Beobachtung auf kleinere Gruppen in der Gruppe spezialisieren, nachdem ich bisher eher allgemein die gesamte Gruppe beobachtet habe.

Zum einen möchte ich eine Gruppe von asiatischen Transvestiten beobachten, die sich regelmäßig im Park trifft und auch irgendwie zu dieser „Preußenpark“-Gemeinschaft dazugehört. Und zum anderen möchte ich mich mit den Kindern auf dem Spielplatz, der direkt neben dem Park ist, beschäftigen.

09.05.05:

Leider habe ich es in dieser Woche nicht geschafft, meine Feldforschung im Preußenpark fortzusetzen, da ich an einer Hausarbeit für ein anderes Seminar arbeite.

02.05.05:

Am Samstag, den 30. April war ich von circa 15.00 bis 20.00 Uhr zusammen mit meinem Freund Ngoc im Preußenpark (im weiteren „der Park“ genannt). Ich erwähne das, weil ich glaube, dadurch anders wahrgenommen zu werden, als wenn ich allein in den Park gehen würde. Und es gibt mir selbst ein gewisses Gefühl der „Zugehörigkeit“ oder „Daseinsberechtigung“. Diese Begriffe sind vielleicht zu stark, denn es ist ja nicht so, dass man als „Mehrheitsdeutscher“ dort bewusst ausgegrenzt würde. Es gab am Samstag eine ganze Menge Deutscher, die aber durchweg männlich und altersmäßig 40+ waren.

Allein deshalb falle ich als junge, weibliche Mehrheitsdeutsche ein bisschen aus dem typischen Bild des Deutschen, wie es im Park vorzufinden ist.

Insgesamt gab es am Samstag ca. 20 von den erwähnten Ständen, an denen asiatisches Essen angeboten wird. Die Stände bestehen meist aus ein paar Thermostaschen mit vorbereiteten Speisen, einem kleinen Gasherd und ein paar Plastikhockern. Um diese Stände herum gruppieren sich dann Familien und Bekannte, essen und trinken gemeinsam und unterhalten sich, meist auf Thai. Aus diesem Grund kann man nicht sagen, dass sie das Essen öffentlich verkaufen wie bei Imbissbuden, sondern eher unter sich. In den meisten Fällen sitzen die Frauen an den Ständen und die Männer gruppieren sich separat in kleinen Grüppchen zum Karten- oder Hai-Lo-Spiel.

Um zu verstehen, inwieweit es sich bei dieser Gemeinschaft um Andere Deutsche in der Definition von Paul Mecheril handelt, ist es meines Erachtens zunächst wichtig zu definieren, was Asiatisch bedeutet, denn das ist der Begriff der sowohl von außen als auch von den Menschen als Selbstbezeichnung verwendet wird.

In Abgrenzung von mehrheitsdeutscher Kultur umschreibt der Begriff meiner Meinung nach eine konstruierte kulturelle und ethnische Gemeinsamkeit von Menschen aus südostasiatischen Ländern (wobei der Begriff erweiterbar ist auf Ostasiaten allgemein, also auch Koreaner und Chinesen), die in Deutschland leben und dadurch auch bestimmte kulturelle Einflüsse deutscher Mehrheitskultur übernommen haben, ohne dass dadurch die Zuschreibung als Asiaten hinfällig wird.

Asiatisch sein äußert sich im Park einerseits über Essen und Sprache als Abgrenzung zur deutschen Mehrheitskultur, andererseits über die Annahme „deutscher“ Einflüsse in Kleidung und bestimmten Verhaltensregeln. Diese Kategorien sind allerdings wirklich auf den Park begrenzt und sind auch nicht fest, sondern spiegeln eine von mir beobachtete Tendenz wieder. Denn Asiatisch-Sein kann sich auch in der Form äußern, dass man die deutsche Sprache und deutsche Essgewohnheiten annimmt und andererseits über traditionalistische Kleidung bzw. über die bloße Tatsache, dass man nach physiognomischen Merkmalen bzw. durch die Herkunft der Eltern nicht dem fiktiven Idealtyp des „Standard-Deutschen“ entspricht, eine „asiatische Identität“ konstruiert  bzw. konstruiert bekommt. So würde Paul Mecheril Andere Deutsche definieren. Im Prinzip handelt es sich um zwei Seiten derselben Medaille bzw. derselben Identität. Denn Mecherils Definition beruht auf Fremdzuschreibung und meine Definition auf Beobachtungen von Asiaten „unter sich“.

25.04.05:

Durch die Gruppendiskussion im Seminar in der letzten Woche, bei der ich mich mit anderen Studierenden, die zu Asiaten in Deutschland arbeiten wollen, ausgetauscht habe, bin ich auf die Internetseite www.asia-zone.de aufmerksam geworden, die ich im Rahmen meiner Feldforschung als zweite Option neben dem Untersuchungsfeld im Preußenpark offen halten wollte.

Am Donnerstag habe ich mir die Seite zum ersten Mal angeschaut und hatte den Eindruck, dass die Aktivitäten dort sehr vielseitig sind. Einerseits gibt es verschiedene Chat-Bereiche und Foren, andererseits aber auch Werbung für offline-Aktivitäten (Parties, Fernsehprogramm), einen eigenen News-Bereich, in denen aktuelle Themen zu Asien weltweit (Artikel vom Webmaster), andererseits jedoch auch interne Informationen von den Mitgliedern. Da ich mich bisher nicht in wissenschaftlicher Weise mit Internetseiten auseinander gesetzt habe, hatte ich kein genaues Konzept, mit dem ich die Seite betrachtet habe, sondern habe mir erst einmal unterschiedliche Bereiche angeschaut. „Die erste asiatische Community im deutschsprachigen Raum“

Besonders interessiert hat mich der Bereich des Chats. Da bin ich auf eine nicht mehr ganz so aktuelle Diskussion (der letzte Beitrag ist vom Februar 2005) zum Thema Probleme mit Eltern aufmerksam geworden, mit dem Hintergrund, dass ich hier Informationen zum Generationenkonflikt von Einwandererfamilien finden könnte. Zudem hat ein User am 19.12. 2004 einen Artikel zum Thema „Westliche Kultur – ein schlechter Einfluss auf die Asiaten?“ geschrieben, wo er auf den Verlust der familiären und kulturellen Traditionen durch die 2.Generation von DEN Asiaten aufmerksam machen will.

Während der Auseinandersetzung mit dieser Internetseite ist mir immer wieder das Konzept der Asiaten als kollektiver Identität durch den Kopf gegangen, das bereits in der letzten Seminarsitzung angesprochen wurde. Dieser Begriff „Asiaten“ wird von den Usern selbst meist benutzt, wobei jedoch insgesamt offen bleibt, wer alles zu den sogenannten Asiaten gehört und wer nicht.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Seite sehr kommerziell aufgemacht ist. Im Vergleich zur Seite theinder.net, die ich auch erst aus dem Seminar kenne, habe ich den Eindruck, dass asia-zone nicht ganz so professionell ist und auch der eigene Anspruch der Macher der Seite bzw. der User, die sich mit der Seite identifizieren können, nicht so deutlich hervor tritt.

Was mein ursprüngliches Untersuchungsfeld, den Preußenpark betrifft, so war ich am Samstagabend dort. Leider waren aufgrund des schlechten, kalten Wetters verhältnismäßig wenige Leute im Park, so dass sich wenig beobachten ließ.

Es gab zwei bis drei kleine Grüppchen, meistens Familien, die beieinander saßen und Essen gekocht haben bzw. ein asiatisches Spiel (Hai-Lo) gespielt haben. Beim Spaziergang durch den Park ist mir zum ersten Mal ein Schild vom Landschaftsamt aufgefallen, auf dem in Deutsch, Englisch und Thai (wohlgemerkt nicht in Laotisch oder Vietnamesisch) sowohl der Verkauf von Essen ohne Erlaubnis und Glücksspiel um Geld verboten wird.

18.04.05:

Vietnamesische communities im Preußen-Park in Berlin-Wilmersdorf und in Berlin-Lichtenberg

Das Feld, das ich in während dieses Semesters untersuchen möchte, umfasst eine Gruppe anderer Deutscher mit südostasiatischem Hintergrund.

Andere Deutsche verstehe ich in der Definition von Paul Mecheril in erster Linie als Menschen, die entweder in einem anderen Herkunftsland geboren, aber größtenteils in Deutschland sozialisiert sind oder aber hier geboren und hier sozialisiert sind, sich jedoch durch die Herkunft der Eltern bzw. eines Elternteils einer weiteren Kultur verbunden fühlen.

Südostasiatisch bezieht sich in diesem Fall vor allem auf die Länder Vietnam, Thailand und Laos.

Die Gemeinschaft im Preußenpark in Berlin-Wilmersdorf ist ein besonderes Phänomen. Hier trifft sich jedes Jahr täglich von März bis Oktober eine Vielzahl von südostasiatischen Familien und bietet vor Ort zubereitete „typische“ Speisen und Getränke aus ihren Herkunftsländern an, kleine Garküchen unter freiem Himmel sozusagen.

Diese Gemeinschaft umfasst mehrere „Generationen“ von Migranten aus diesen Ländern, wobei die zweite Generation, zumeist Kinder und Jugendliche in das System integriert sind und ihren Eltern beim Verkauf aushelfen, sich andererseits jedoch auch optisch abgrenzen von ihren Eltern, in dem sie sich beispielsweise auf die andere Seite des Parks setzen.

Besonders interessiert mich hierbei die Generation anderer Deutscher mit vietnamesischem Hintergrund.

Zum einen hat das persönliche Gründe. Ich bin auf diese Gemeinschaft über meinen Freund Ngoc aufmerksam geworden, der selbst anderer Deutscher ist: Ein in Laos geborener und in Deutschland aufgewachsener Vietnamese (Selbstbeschreibung).

Die deutschen Vietnamesen, die man im Preußenpark findet, sind allerdings vor allem in Westdeutschland bzw. West-Berlin sozialisiert worden.

Andererseits gibt es auch eine große Gemeinschaft deutscher Vietnamesen in Ost-Berlin, die vor allem aus den Familien der Vertragsarbeiter in der ehemaligen DDR hervorgegangen sind.

Es gibt in Berlin-Lichtenberg einen gemeinnützigen Verein „Die Reistrommel“, der sich um die Belange dieser Menschen kümmert und laut Eigeninformation im Internet sich auch mit Konflikten zwischen Eltern und Kindern von Migranten vietnamesischer Herkunft auseinandersetzt.

Ich würde gern diese beiden communities miteinander vergleichen und untersuchen, ob es heute noch Unterschiede in der Art der Integration anderer Deutscher vietnamesischer Herkunft in Ost- und West-Berlin gibt. Inwieweit ein umfangreicher Vergleich allerdings im Rahmen einer Seminararbeit erreicht werden kann, ist mir noch nicht ganz klar.

Insgesamt liegt mein Schwerpunkt auf der Gemeinschaft im Preußenpark.

 
 
© Urmila Goel, www.urmila.de 2005