Sommersemester 2005 - Andere Deutsche - Migration und hybride Identitäten
Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder
Dozentin: Dr. Urmila Goel, viadrina@urmila.de
Mehr Informationen auf www.urmila.de/viadrina

Die Studierenden des Seminars Andere Deutsche - Migration und hybride Identitäten beobachten seminarbegleitend "Andere Deutsche" an virtuellen oder physikalischen Orten. Auf dieser Website werden ihre unredigierten Feldwochenberichte online gestellt. Es sind erste Versuche der Feldbeobachtungen und haben nicht den Anspruch fehlerfrei zu sein. Bei Fragen und Kommentaren wenden Sie sich bitte an die Seminarleiterin Dr. Urmila Goel.

Feldbeobachtungen von Esther Schleidweiler

Lesarion

11.07.05:

In den letzten beiden Wochen habe ich mir die Kurzgeschichten auf Lesarion durchgelesen. Diese stammen anscheinend hauptsächlich von userinnen, aber es sieht so aus, als könnte jeder der wollte eine Geschichte abgeben. Ich dachte mir, vielleicht gibt es in der ‚Lesben-Prosa’ irgendwelche Auffälligkeiten oder krasse Unterschiede zur ‚Hetero-Prosa’ – wenn man es denn so nennen möchte. 

Gelesen habe ich gut ¾ der Geschichten, die der Allgemeinheit zugänglich sind, d.h. ich habe die Ero-Geschichten außen vor gelassen. Was ich nicht getan habe, ist mich als Literaturkritiker zu  betätigen. Ich wollte sehen, worüber Lesben (was man ja wohl annehmen darf) schreiben, was sie bewegt und ob ich irgendwelche ‚Anders-machenden’ Details finde.

Die absolute Mehrheit der Geschichten handeln von Liebe: suchen, halten, finden und verlieren selbiger. Selbst wenn manche eine große Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit offenbaren, kann man nicht sagen, dass dies irgendwie anders sei, als im Hetero-Bereich – man denke nur an die unsäglichen Arztromane u.ä. Natürlich sind die Antagonisten weiblich, aber sie verlieben sich mal in Frauen, mal in Männer. Manche sind einfach auf der Suche nach sich selbst und versuchen dieses im Gegenüber zu finden. Es geht ums glücklich werden.

Die Spannbreite der Stile geht von romantische verspielt, über brutal hin zu  grafisch direkt. Manche der Geschichte räumen gewaltig das Vorurteil auf, dass Frauen Gewalt verabscheuen bzw. sie Außen vorlassen und ignorieren.  

Bei manchen Geschichten bekommt man den Eindruck es handele sich um Tagebücher (TB), so eine Art fehlplazierte Web-Logs. Aber das ist noch mal ein Thema für sich selbst, da es auch durchaus in anderen (Storie-veröffentlichenden)Foren vorkommt, dass manche ihre TBs zum besten geben – wenn das denn der Fall ist.   

Was auffällt, aber das kann auch mit dem Aufbau der Seite zusammenhängen (Lesarion ist  Partnerschafts- u. Diskussionsorientiert um es oberflächlich zusammenzufassen): es gibt keine Krimis, Mysteries, Thriller oder sci-fi Texte.

29.06.05:

online: 582 davon 168 chatter

Die Neuigkeiten auf der Startseite erneuern sich nur langsam. Als Nachrichtenservice zwecks Lesbenissues kann man Lesarion wirklich nicht bezeichnen.

 Linkspartei, thread der schön den Stand der Information in Deutschland bezüglich Politik reflektiert. Fachkenntnis vs. totale Ignoranz und Desinteresse. Zugegeben, der erste Post ist etwas merkwürdig an und fällt mit der Tür direkt ins Haus. Aber wenn man nur ab und zu die Zeitung liest, müsste man ihn doch nachvollziehen können was WSAG ist und müsste nicht mit Hääää antworten. Dennoch wird die Diskussion im Folgenden sachlicher und analysiert/kommentiert die an dem Parteiabkommen beteiligten Hauptakteure und deren Vergangenheit und versucht deren Chancen für die Zukunft zu sehen. Interessanter wird es wenn sich die userinnen über die Vergangenheit der PDS unterhalten und dann parallelen zu Parteiengeschichte in West-Deutschland bzgl Nazi-Vergangenheit gezogen. Allerdings schaltet sich, als die Diskussion persönlich wird – aber auch ins zickige abzugleiten droht, eine Supporterin ein, und verweist auf die Forumsregeln, in denen steht, das private Kommunikation auch privat zu bleiben hat, also keine E-mails – auch nicht in Auszügen veröffentlicht werden dürfen. Die Frage ist nur, mal abgesehen davon, dass die Forumsregeln gebrochen wurden, die Supporterin falsch reagiert hat und zu persönlich wurde indem sie auf den, meiner Meinung nach ironisch gemeinten gruss, direkt reagiert hat. Auch sie wurde persönlich und ist direkt mal auf das Profil um von dort zu zitieren.

Polen und Homophobie Auch dies ein politisches Thema, allerdings eines, dass in den deutschen Medien ignoriert worden ist.  Während es zunächst schelte für die Medien gibt und Unverständnis über die Ignoranz mancher Individuen und Staaten, die es dennoch in die EU geschafft haben, geäußert wird, so werden doch auch Stimmen laut, die die Akzeptanz für Schwule und Lesben in Polen erfahren haben. Auch hier wird erwähnt, dass Homosexuelle wollen, dass ihre sexuelle Orientierung als normal angesehen wird – dennoch leben viele Homosexuelle, als wäre es nicht normal bzw. machen etwas Besonderes oder Unnormales aus ihrer sexuellen Orientierung. (wie dies genau aussieht ist mir allerdings unklar).  Übrigens beteiligen sich hier einige, die schon im Linkspartei-thread aufgefallen sind. Manches wird sehr sachlich dargestellt, anderes pauschalisiert und, vielleicht absichtlich, missverstanden und überinterpretiert. Auch hier wird Toleranz verlangt, aber dennoch arg intolerant geschrieben, manches durchaus unter der Gürtellinie.

20.06.05:

Habe die Woche damit verbracht, auf Lesarion über das ‚Andere’ bei Lesben zu diskutieren. Das größte Problem bei dem Konzept von Mecheril in diesem Zusammenhang ist, dass Leute beobachtet werden sollen, die von nicht-existierenden Standard-Deutschen’ als Anders gesehen werden. Die Damen bei Lesarion sind sich durchweg einig, dass sie mit Sicherheit nicht Anders sind. Und von den Threads her gesehen, lässt sich dies auch bestätigen. Die einzigen Ausnahmen sind vielleicht Threads, die spezifisch lesbische Sexualität zum Thema haben. Aber selbst unter denen gibt es genügend, z.B. über Spielzeug für Erwachsene, die nicht unbedingt lesbentypisch sind. Immerhin gibt es genügend Heterosexuelle, die sich dieser  Unterhaltungsmittel bedienen. Klar, genau die Threads, die ich eben als Ausnahme dargestellt habe, sind dann für Mecherils Konzept interessant, weil nun mal das Besondere in der Ausnahme liegt. Nun gut, dieser Gedankengang ist noch nicht fertig gedacht...  Wenn es also nicht um die ‚Self-perception’ geht, wie die Definition sagt, müsste man doch eigentlich diejenigen unter die Lupe nehmen, die sagen, dass z.B. Lesben Anders sind und herausfinden wieso sie das so sehen. Vielleicht wäre das etwas mit denen man die heterosexuellen Beobachter des ChristopherStreetDay konfrontieren könnte. Mal abgesehen von dem schwer zuakzeptierenden ‚Anders’ in der Definition, war das Feedback bezüglich der Beobachtung recht positiv. Einige Kommentare zielten gerade darauf ab, dass die Beobachtung nun offiziell zweiseitig abläuft. Aber das ist dann auch eher so eine Art Kontrolle und gibt dann auch Raum zur Diskussion.

02.06.05:

User: 337 chatter:68

 Benachrichtigung/Erlaubnis vom Administrator ja oder nein? Ich habe mir einige Gedanken gemacht, ob ich nun eine Erlaubnis vom Administrator einholen soll bzw. ihn/ihnen wenigstens bescheid geben soll, dass ich mir die Web-Site unter gewissen wissenschaftlichen Gesichtspunkten betrachte. Letztendlich habe ich mich dagegen entschieden. Die Site ist öffentlich zugänglich, d.h. jeder und jede kann die Beiträge, Stories und Profiles einsehen ohne sich anmelden zu müssen. Könnte man die Seite nur nach erfolgter Anmeldung einsehen, hätte ich mittlerweile vermutlich um Erlaubnis gefragt.

Heute habe ich mich intensiver mit den threads „Intensivstation“, „Lesbenpornos“, „Wer will? Mit mir… „ beschäftigt.

Der erste thread ist relativ problematisch und sehr emotional. Eine userin beschreibt, wie sie versucht Kontakt zu ihrem Vater zu kommen, der auf der Intensivstation liegt. Die neue Partnerin des Vaters verweigert ihr die Erlaubnis, wohl mit der Begründung, dass der Vater seit der Scheidung den Kontakt abgebrochen habe. Wichtig ist, nach meinem Ermessen und in Bezug auf die Feldbeobachtung, dass der Kontakt nicht wegen der sexuellen Orientierung der Tochter abgebrochen wurde, sondern scheinbar aus anderen, nicht genannten Gründen. Auch die Reaktionen lassen die sex. Orient. unberücksichtigt, und versuchen Unterstützung, Halt und Hilfe z.B. rechtlich zu geben. Andererseits gibt es auch harsche Kommentare, die allerdings nicht auf die Userin Zielen, sondern auf die neue Familie des Vaters und den Vater selbst, der notariell beglaubigt hat, keinen Kontakt zu seiner Tochter haben zu wollen. Wieder Mal denke ich, dass dies hier nichts mit lesbisch sein zu tun hat. Es ist vielmehr Zufall, dass die userin lesbisch ist und dieses posting in einer web-Community von Lesben erschienen ist.

Eindeutig lesbisch oder „Anders“ ist dagegen der thread „Lesbenpornos“ und zwar, weil es hier um Pornos geht, die Lesben interessant finden und die nicht in der Absicht gemacht werden Männer anzutörnen – was natürlich dennoch passieren kann. Die Diskussion erstreckt sich von hard-core über soft-porn zur Standard ZDF-Romanze mit angedeutetem Beischlaf. Es finden sich Interessentinnen für alle Sparten. Soviel also zum Vorurteil, dass Frauen sich auf keinen Fall für so was begeistern können. (Kommentar, nicht ganz ernst gemeint: oder sind Lesben eben deshalb Anders?) Eindeutige Ablehnung erfahren allerdings die Streifen, in denen lesbischer Sex mit Hilfe von „lebenden Gummipuppen mit Micky-Maus-Stimmen“ schlecht gespielt wird – oder anders ausgedrückt, abgelehnt werden Filmchen in denen „hetero-riesenbusenwunder wo sich gegenseitig penetrieren nur um Männer geil zu machen!“ drin vorkommen.

Und schließlich „Wer will? Mit mir…“ und ja, es geht um eine Frau (?), die eine Frau nur für das eine und nur mal so sucht. Und dann noch Berichte in Sachen sexuellen Erfahrungen erfragt. Erste Reaktion: männlich-vielleicht??? Was folgt ist, milde gesagt, ein Austausch über Werte (von ironischen Kommentaren (gratis poppen, wer kann da schon widerstehen), über zum Kotzen, über jeder so wie sie will, bis hin zum Verweis zum Ero-Forum, welche ich bisher noch nicht erwähnt habe: dies ist ein geschlossener Bereich bei lesarion, in den man nur mit Anmeldung, ab 18 (wird über Personalausweisdaten geprüft), und nur als Frau „betreten“ kann). Der thread bekommt rege Aufmerksamkeit und in der Zeit, in der dieser text verfasst wird, gibt es 7 Seiten an Reaktionen, die ich allerdings nicht alle lese. Zum Teil geht es ums Abschleppen generell, dann wieder wird die Initiatorin (mittlerweile als Frau anerkannt, da rege an Diskussion beteiligt und nicht abgetaucht) des threads angegriffen wegen ihres Alters (19) und Unerfahrenheit und auch weil sie Sex als Ware darstellt, was Reaktionen wie: ‚wie viel bezahlst du für Fleischiges’ hervorruft.

Ich glaube, dass dieser Text ein sehr gutes Beispiel sein kann inwiefern Lesben ‚Anders’ sind bzw. nicht, wenn man denn den Mut zur Generalisierung hat. Dieser fehlt mir zZ, aber ich werde mir mal so meine Gedanken machen.

30.05.05:

User:456  Chatter: 150

Die Start-Seite ist up-to-date mit ihren Nachrichten: Merkel ist Kanzler-Kandidatin; Christopher-Street-Day Nachrichten; TV-Tipp: Tatort

Top-Themen u.A.: Kick it like Beckham; Uni Mainz 28.05; Kölnerin sucht; 26.5. Party im Excess in Frankfurt

Gerade hineingestellt: In der „Pinnwand“ versucht eine userin für eine gewisse Doreen ein Singletreffen zu organisieren, und veröffentlicht deren Handynummer – sehr fraglich diese Sache. Und schon gibt es Antworten: könnte es Rache an der Ex sein? Und weniger hämische Bemerkungen werden gemacht. War ja zu erwarten, da auf dieser Seite nicht immer mit weichen Bandagen gekämpft wird.

Und noch eine sucht eine Partnerin, diesmal für sich selbst: wie üblich wird der thread schnell zweckentfremdet, zwischendurch findet auch ein eher privater Austausch statt (ist …da? Ja, ich bin hier) Fraglich, ob dies der geeignete Weg ist, aber natürlich bietet sich so auch eine Gelegenheit email u.ä. zu senden anstatt sich am thread zu beteiligen. Aber es wird auch offensichtlich, dass diese Seite auch zur Partner/Kontaktsuche genutzt wird. Außerdem werden wieder einmal Rechtschreibschwächen identifiziert und der Spruch „wer Rechtschreibfehler findet, der darf sie behalten“ fällt zwischendurch. Diese Art Kontaktanzeige löst gewöhnlicher Weise negative, verletzende Reaktionen bei den anderen userinnen hervor zB bezgl Aussehen, Formulierungen in der Anzeige, Kommentare zum Wohnort, wenn es eine Ex bei lesarion gibt, tritt diese auch auf den Plan und lässt sich aus. Die Userinnen kennen sich also zum Teil. Die Mehrzahl der userinnen bleibt unbeteiligt und postet nicht oder nur selten.   

Kick it like Beckham: Austausch über den „heisse Schnitte“-level der Keira Knightley, in welchen Filmen sie sonst noch zu sehen war und den Gerüchten, dass der Film eigentlich eine lesbische Storyline hätte kriegen sollen, aber die Produzenten sich gescheut hätten. Wieder brodelt die Gerüchteküche und schnell fallen andere Namen von (angeblich) lesbischen Celebrities

Coming Out: Bei den letzten 15 Themen sind 2 thread bezgl. Umfragen. Einmal „es ist nur ‚ne Phase“, (103 postings) bezieht sich auf die Hoffnung der Eltern und anderer, dass die Tochter nur eine Phase durchlebt, aus der sie dann doch als hetero hervorkommt. Wie eigentlich nicht anders zu erwarten, sind sich die Lesarion-Damen einig, dass diese Phase nicht vorüber geht – andererseits wären sie wohl nicht Mitglied dort.  Die andere, „Coming Out – Umfrage für meine Facharbeit,“ (193 postings) ist ein Aufruf einen Fragebogen auszufüllen, der zwar anonym ausgefüllt, aber dennoch sehr persönlich wird – wenn er denn wahrheitsgetreu ausgefüllt wird. Ich habe mir nicht alle postings angeschaut, aber es scheint, dass der Bogen ausgefüllt wird, und es nicht zu einer „basis-demokratische“ Diskussion kommt, wie das sonst öfters der Fall ist. 

Abseits der Web-Site: ich habe einen Mann kennen gelernt, der ein Konto für seine Bekannte eingerichtet hat, damit diese eine Partnerin findet. Während die eine nette Geste seinerseits war, ist es nun weniger nett, dass er sich unter der ID seiner Bekannten die Mädels, wie er sagt, anschaut und sich an Diskussionen beteiligt. Er sagt, dass er dies auch auf einen lesb. Seiten macht. Also: Internet ist wohl mit Vorsicht zu genießen, und es muss nicht immer so sein, wie es scheint. 

22.05.05:

Online: 92, davon 46 chatter

21.05.05: Ich war nun schon länger nicht mehr auf der Seite und schau mir mal an, was da so passiert ist. Ooops, sie haben die Forum-Startseite umgestaltet: vier Kategorien (die alten plus Let’s Discuss), aber ansonsten ist nichts dazugekommen, die Themen wurden teilweise neu zugeordnet, z.B. Transgender7Intersexuell ist nun unter Lets Discuss eingeordnet.

Außerdem gibt es nun ein mod.Forum, d.h. bestimmte Verhaltensregeln basierend auf gegenseitigem Respekt und der Möglichkeit, dass eine Thread geschlossen wird, wenn diese Regeln nicht eingehalten werden, bzw. eine Userin aus Lesarion rausgeschmissen wird, wenn diese zu ausfallend wird. Auf der einen Seite, ist es interessant, dass es solche Moderatoren in einem Thread, wo sich Leute mit gewissen ähnlichen Interessen treffen, austauschen und Spass haben wollen überhaupt geben muss, auf der anderen Seite, ist es aber auch verwunderlich, dass Lesarion dies nicht schon früher eingeführt hat, da der Bedarf, wenigstens nach einigen Reaktionen zu urteilen schon lange da war.

Ausserdem ist heute Super-Saturday, d.h. die Userinnen, die ein normales, kostenloses Konto haben, können heute die Vorteile des Premium Konto’s ausprobieren und mitnutzen. Man sieht wer online ist, und kann gegebenenfalls direkt in Kontakt mit der userin treten.

22.05.05 Zwei Themen der Top-fünf Liste:

1.   Wie macht frau am besten frau an? thread

Eine Liste von zT lustigen Kommentaren oder Tips („wenn sie an der bar steht aus dem eigenen cocktail ein paar eiswürfel fischen, vor sie auf die bar legen, einen augenblick die eiswürfel anstarren...und dann ganz verführerisch sagen:"jetzt, wo zwischen uns das eis schon geschmolzen ist - zu dir oder zu mir?!?“"), die eigentlich auch in einem anderen thread stehen könnten, also nicht geschlechtsspezifisch sind.

2.   kennt sich jmd mit verkehrsrecht aus????????

Das Problem:

 „Also ich hatte nen verkehrsunfall, wollte links abbiegen und in dem moment kam eine von hinten wollte die ganze kolonne überholen, mich auch und is mir halt volle kanne reingefahren. sie schob mich weiter und sie selber kam von der fahrbahn ab und knallte gegen einen betonpfosten. sie lag jetzt 2 wochen im krankenhaus, kam gestern wieder raus und ich musste heut auf die polizei, eigentlich wegen zeigenaussage und auf einmal war alles anders. die meines erachtens schuldige hat mich wegen schwerer körperverletzung angezeigt, nun würde ich gern mal wissen wie groß is das risiko das ich verurteilt werde.“ Und die userinnen haben tatkräftig versucht, gute Ratschläge zu erteilen. Der Thread war übrigens im Spass und Fun…

Die anderen top-fünf Themen waren:

1. FC Kölle, Lied gesucht, Cannabis Legalität, keinen Arsch in der hose, Harry Selbsthilfegruppe: es geht darum Harrys jagen und abschiessen zu dürfen – eher auf der schwarzen Seite des Humors…

02.05.05:

Ich habe mir vergangene Themen angeschaut. Bei den Themen „Adoption“ und „Meine Frau, ihre Eltern und ich“ bin ich hängen geblieben. Zum einen habe ich mich gefragt, wie Adoption in einer Homo-Ehe nun geregelt ist, und zum anderen wollte ich wissen was die Frauen so davon halten. Interessanterweise darf eine Einzelperson – egal ob homo- oder heterosexuell – ein Kind adoptieren, aber ein homosexuelles Paar, im Gegensatz zum heteros. Paar darf das nicht. Hm, legale Erklärungen gibt es dafür nicht, dass diese Unterschiede gemacht werden, nur kirchen-gesellschaftliche (oder wie man das auch immer nennen mag). Soviel also zum Thema  „vor dem Gesetz sind alle gleich.“  Nun ja die Diskussion beschäftigte sich auch mit anderen Möglichkeiten, wie zwei Frauen sich ihren Kinderwunsch in einer Beziehung erfüllen können: Auslandsadoption (was auch als Paar möglich ist, da dies anscheinend in dem Land wo die Adoption stattfindet geregelt ist), künstliche Befruchtung, Aufnahme eines Pflegekindes usw. Dies alles kostet (Auslandsadoption zw. 10000 und 15000 Euro (hätte ich jetzt nicht gedacht) und ist natürlich viel komplizierter als sich einfach schwängern zu lassen – um das mal salopp auszudrücken – was bei keinem in der Diskussion als Option in Frage käme.

„Meine Frau, ihre Eltern und ich“ hat sich dagegen als weniger dramatisch herausgestellt. Vom Titel her dachte ich, dass es um „ihre Eltern hass Lesben“ ginge, aber keineswegs. Es ging um das erste Treffen mit den Eltern der Freundin (die Eltern hatten schon mehrere Partnerinnen kennen gelernt und hatten kein Problem mit der sexuellen Orientierung der Tochter) und wie man sich da verhalten solle. Nix aufregendes und das haben die Damen dann auch im Thread gesagt.

Was auffallend ist, vielleicht im Gegensatz zu hetero Beziehungen (wo man von „mein Freund“ - meiner Freundin spricht), ist, dass oft von „meiner Frau“ gesprochen wird, unabhängig von der Dauer oder dem legalen Status der Beziehung, wohl um zu zeigen, dass es sich um mehr als „nur“ Freundschaft handelt.   

22.04.05:

Anmerkung: Bei manchen Zahlenangaben wurden verschiedene threads zusammengefasst (gewöhnlich mit ~ gekennzeichnet), bei anderen bezieht sich die Zahl auf die Beiträge in diesem bestimmten thread.

Obwohl ich die Startseite eigentlich ignorieren wollte, habe ich unter TV-Tipp mit Freuden festgestellt, dass S-RTL die 1. Staffel „Ellen“ wiederholt.

Zum eigentlichen Thema, das Forum.  

Hier möchte ich mich grundsätzlich auf die Rubriken konzentrieren, die mich zum einen selber interessieren, aber zum anderen vielleicht Einblick auf das „anders sein“ von Lesben – wenn Lesben denn überhaupt anders sind in ihrer Art zu denken und zu fühlen nur weil sie nicht der heterosexuellen Norm entsprechend leben - geben.

Unter der Rubrik Let’s Talk möchte ich auf die Beiträge in

·        News, Politik, Forschung  

·        Beziehung, Erotik & Liebe 

·        Coming Out

·        Kummerkasten je nach Interessenlage konzentrieren.

In der Rubrik Lifestyle werde ich auf

·  Allgemeines, Spass & Fun schauen.

 Ich habe diese grobe Auswahl mit gewissen Hintergedanken getroffen. Zum einen lässt sich unter diesen Themen, mit Ausnahme von Coming Out, was ja ein homo-typisches Phänomen (u. U. auch Problem) ist,  feststellen, ob Lesben nun wirklich anders sind als heterosexuelle Menschen in dem was sie interessiert, bewegt und beschäftigt.

Diese Woche schaue ich nur auf die letzten 10 neuen Themen der jeweiligen Rubrik, um eine übersicht zu gegeben, was so im Allgemeinen diskutiert wird.  

Jede Rubrik hat heute (Zeit 9:00)  schon neue postings bzw. neue threads.

News, Politik, Forschung (insgesamt 1458 threads) beschäftigt sich seit einigen Tagen mit Papst Benedikt und verwandten Themen, Adoptionsrecht, Homo-Ehen Annullierung, rechte Lesben, Berlusconi und die Landtagswahlen in NRW. Die meisten Beiträge beschäftigen sich mit Ratzinger, bzw. den ähnlichen Themen (insgesamt über 300 Beiträge). Auch „rechte Lesben“ (157 Beiträge) werden rege diskutiert. Andere Themen haben zw. 2 und 20 Beiträge. Die letzten 10 Beiträge stammen aus dem Zeitraum vom 21.4 bis 22.4

Beziehung, Erotik & Liebe (5178) Die Beträge sind vom 21.04 bis 22.04. Die Themen reichen von Beziehungsproblemen (über 350), über die Wichtigkeit von Äußerlichkeiten (150)bis hin zu der Bedeutung der Worte „Ich liebe Dich“ (39) und Sexpraktiken (125).

Coming Out (450) Die letzten 10 Beiträge in dieser Rubrik stammen aus dem Zeitraum vom 31.3 bis 22.4. Die Themen reichen von Umfragen für Fach- bzw. Hausarbeiten (~200 Beiträge) zu Homosexuelle im Unterricht (30 Beiträge), zu Gesuchen nach Menschen, die einem beim coming out helfen z.B. lesbische/schwule Moslems oder Türken, bzw. Mädels aus Gummersbach (insgesamt ~30 Beträge). Dann gibt es threads von Lesben, die wissen wollen, bei wem sie sich am besten zuerst outen sollen bzw. ob sie es dem object of their affection sagen sollen ( ~ 70Beträge). Andere diskutieren, was outen nun konkret bedeutet (57). Eine sucht nach Rat wie sie sich gegenüber ihrem Chef verhalten soll, der sich wohl in sie verguckt hat (34). Ein anderer thread beschäftigt sich mit Kindheitserinnerungen (40), und der letzte fragt nach der Zeit nach dem coming out (10).

Kummerkasten (3321) Auch hier gibt es eine gewisse Themenvielfalt. Probleme eine Partnerin außerhalb der Szene (~100) zu finden werden ebenso angesprochen wie das Problem, das lesbische Paare und Singles keine Kinder adoptieren (27) können/dürfen. Außerdem werden Ding wie das müßige Aufstehen jeden Tag durchgejammert (Beurteilung, ich weiß) und rat gesucht bei Trennungen und Neuanfängen in Beziehungen  (~120).   

Zeit: 15:10

Allgemeines, Spass & Fun (10876) Die letzten 10 Beiträge sind all vom 22.04. Es handelt sich um threads mit Themen wie „tolles lied“ (0), „Trinitatis“ (0), „der eiermann ist da....“ (13). Aus keiner der Überschriften ist zu ersehen, um was sich der jeweilige thread dreht. Deshalb ist eine genaue Auseinandersetzung z. Z. eher uninteressant für mich. Vielleicht später…

 18.04.05:

„Menschen, die wesentliche Teile ihrer Sozialisation in Deutschland absolviert haben und die Erfahrung gemacht haben und machen, aufgrund sozialer oder physiognomischer Merkmale nicht dem fiktiven Idealtyp des oder der „Standard-Deutschen“ zu entsprechen, weil ihre Eltern oder nur ein Elternteil oder ihre Vorfahren als aus einem anderen Kulturkreis stammend betrachtet werden“. Mecheril

  Das Feld, welches ich beobachten möchte ist lesarion.de, eine Web-Site Community von und für Lesben. Die Seite gestaltet sich in Form einer Homepage von der aus die Sub-Sites von Lesarion besucht werden können. Auf der Homepage findet man einen kleinen, redaktionellen Teil, in dem Nachrichten die speziell für Lesben von Interesse sein könnten vorgestellt werden. Es wird angeboten ‚Mitglied’ bei dieser Community zu werden. Mitglieder haben unter Anderem die Möglichkeit, diesen Teil zu beeinflussen und mitzugestalten. Z. Z. hat Lesarion 34132 Mitglieder bzw. Steckbriefe der Mitglieder registriert.

 Am oberen Ende der Homepage finden sich links zu den jeweiligen Zusatzangeboten, z.B. Forum, Gruppen, Chat, Stories u.ä. sowie der Login für Mitglieder. Außerdem finden sich auf dieser Startseite Listen von Mitgliedern, die am jeweiligen Tag Geburtstag haben oder neu bei Lesarion sind Wie üblich bei dieser Art von Web-Site ermöglicht die Mitgliedschaft eine aktive Beteiligung in Forum, Chat usw. sowie Raum für Partnerschaft- und Bekanntschaftsgesuche. Auf der rechten Seite werden die fünf letzten Beiträge zu Chat und Forum angezeigt. Darunter befindet sich der delux contact, eine Option für Mitglieder die Aufmerksamkeit potentielle Bekannter und Partner auf sich zu ziehen.

 Meine Beobachtung möchte ich allerdings auf die Diskussionen und Themen im Forum beschränken. Das Forum besteht aus drei Hauptthemengruppen (Let’s Talk, Lifestyle, Lesarion). Die Gruppen unterteilen sich in verschiedene Themenbereiche. Let’s Talk: Wo bleibt der Frühling; News, Politik, Forschung; Beziehung, Erotik, Liebe; Coming Out; Kummerkasten, Chatworld; Lifestyle: Allgemeines, Spass, Fun; Pinnwand; Literatur, Lyrik, Philosophie; TV & Musik; CDS, Party &Events; Transgender/Intersexuell; Let’s Date; Mitfahrgelegenheiten; Lesarion: Ankündigungen; Support.

 Mir ist bewusst, dass ich eine erweiterte Version von Mecherils Definition von „andere Deutsche“ benutze, allerdings gehören Homosexuelle zu einer Minderheit in Deutschland und erfahren, so wie „andere Deutsche“, die in Mecherils Definition passen, auch Diskriminierung bzw. erhöhte Aufmerksamkeit, z.B. in Form von angestarrt werden und ungewöhnlichen Fragen. Demnach bezieht sich das „Anders sein“ auf soziale Merkmale und nicht auf physiognomische. Nach dem Gefühl vieler Menschen zu urteilen, bewegen sich homosexuelle auch in einem anderen Kulturkreis, der dem „normalen“ Kulturkreis nur bedingt ähnelt – auch diese Beurteilung liegt beim Betrachter, da eine homosexuelle ihren Kulturkreis wohl auch als „normal“ betrachtet.  


 

 
 
© Urmila Goel, www.urmila.de 2005