Lehrveranstaltungen von Urmila
Goel an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder
Sommersemester 2006:
Mythen, Masken und Subjekte
Kritische Weißseinsforschung in Deutschland
Montag, 29. Mai 2006, 16.00 - 18.00 Uhr
Das Konzept des Sammelbandes
Gespräch mit Maureen Maisha Eggers und Peggy Piesche
Herausgeberinnen von "Mythen, Masken und Subjekte"
Raum: AM 205
Brainstorm – Fragen und Anmerkungen der Studentinnen zum Konzept des
Buches
- Aufteilung des Buches in Schwarze und weiße Perspektiven
- Wozu verschiedene Perspektiven markieren?
- Wie erfolgte die Einteilung?
- Was bedeuten die Übergänge?
- Schreibweise von Schwarz und weiß
- Herausgeberinnen sind nicht alphabetisch und somit gegen Gewohnheit
geordnet
- unterschiedliche Textsorten von sehr wissenschaftlichen Texten bis zu
Lyrik und Prosa
- positive Hervorhebung des politischen Anspruchs des Buches im Gegensatz
zum pseudo objektiven Anspruch anderer Publikationen (erkennbar u.a. in der
Konsequenz mit der bspw. die Schreibweise von Schwarz und weiß
durchgesetzt wurde)
- in den weißen Perspektiven sind mehr Namen von AutorInnen bekannt
- Verweis auf andere Publikationen und der neuerdings verstärkt
stattfindenden Wahrnehmung der kritischen Weißseinsforschung in
wissenschaftlichen Diskursen
- Wunsch andere Publikationen in Beziehung zu setzen: z.B. Dietze,
Gabriele et al.: Weissein - White - Weiß. Studien zu Gender und Rassismus.
(im Erscheinen)
- sehr kleiner Schriftgrad und Masse an AutorInnen und Texten
- wenige Autoren (Männer)
Antworten der Herausgeberinnen
Position beziehen
- bei der Herausgabe des Buches war es den Herausgeberinnen wichtig, einen
positionierten, kritischen Diskurs anzustoßen
- Schwarze und weiße Perspektiven wurden klar markiert, um deren
gesellschaftliche Situiertheit und symbolische Polarisierung, und die daraus
folgende Hierarchisierung, zu verdeutlichen
- dabei geht es darum, Position zu beziehen und sich dem Benennen der
Position auszusetzen
- selbst in der Linken ist es nicht üblich, die eigene weiße
Perspektive zu benennen
- einige AutorInnen haben sich deshalb gegen einen Beitrag im Buch
entschieden
- die Herausgeberinnen hatten den Eindruck, dass die Markierung der
Position
- insbesondere auf Seiten der weißen Perspektive Unbehagen
verursacht und zu Diskussionen geführt hat
- weiße AutorInnen mussten die Definitionsmacht über ihre eigene
Position abgegeben
- (sprachliche) Redaktion war insbesondere in den weißen
Perspektiven notwendig!
- Schwarz und weiß sind keine Hautfarbenbenennungen
- statt dessen soll Macht als hierarchisches System benannt werden, in dem
Schwarz und weiß Positionen markieren
- People of Colour (PoC) sind rassistisch markiert und deshalb in den
Schwarzen Perspektiven verortet
- in den Übergängen finden sich Koproduktionen von Schwarzen und weißen
AutorInnen
- die Einordnung der jüdischen Perspektive erschien in den Diskussion in
Deutschland als problematisch, für den jüdischen Autor Sander L. Gilman war es
hingegen unproblematisch, als weiß und jüdisch, aber nicht als Schwarz
markiert zu werden
Politischer Anspruch und aktivistischer Background
- politischer Anspruch und Wissenschaftlichkeit müssen zusammen gedacht
werden
- gesetzte Wissenschaftlichkeit/Normativität soll (als weiße
Setzung) hinterfragt werden
- eine Rückbindung an die materiellen Realitäten, auf deren Grundlage
Bündnisse geschlossen werden können, soll ermöglicht werden
- das hegemoniale Denken und auch das weiße, kritische Kollektiv
sollen von einem oppositionellen Blick aus erschüttert werden
- der dominante Blick soll unterbrochen werden
- Weißsein soll als real existierender Gegenstand verhandelt werden und
nicht als ein rein akademischer
- deswegen müssen kritische Wissenschaften aus einem aktivistischem
Background heraus betrieben werden: sogenannte ‘organische Intellektuelle’
sollen schreiben
- insbesondere soll Menschen eine Plattform geboten werden, die sonst
nicht gefragt werden
- die Tradierung von immergleichem Wissen soll unterbrochen werden, damit
andere Stimmen gehört werden können
- beispielsweise hat Nisma Cherrat aus ihrer Schwarzen Perspektive heraus
ein enormes Wissen im Umgang mit, und zur Funktionsweise von, Weißsein, da
dieses ihren Alltag im Theater prägt
- Notwendigkeit von Sprachpolitik: bestimmte Wörter dominanter Diskurse
durften im Buch nicht benutzt werden, um diese nicht zu tradieren und sich
einer Vereinnahmung durch dominante Diskurse entgegenzusetzen (auch hier
musste vorwiegend in den weißen Perspektiven redigiert werden)
Dekonstruktion und andere Probleme
- (positive) Beispieltexte: Jinthana Haritaworn und Eske Wollrad (im Buch)
- Dekonstruktion lässt Machthierarchien außer Acht und entschärft
hierarchische Realitäten durch Differenzsetzung
- Differenz wird als Vielfalt und nicht als Ungleichheit gedacht
- Problem: Weißsein wird als eine Kategorie unter vielen gedacht und so in
dominanten Diskursen als bedeutungslos theoretisiert (als eine von vielen,
gleichwertigen Kategorien)
- wichtig ist aber auch, Weißsein außerhalb des akademischen Rahmens
wahrzunehmen und Weiße dementsprechend auch auf ihren weißen Rahmen
zurück zu verweisen, Weiße müssen sich selbst mitdenken
- Problem: weiße AutorInnen haben versucht, ihre Texte mit Hilfe von
Schwarzen Zitaten zu autorisieren (Schwarze Zitate am Anfang oder Ende, um
sich dahinter zu verstecken)
- bei der Schreibweise von weiß ist es wichtig, dass weiß auch
so markiert wird, dass das Schriftbild aufgebrochen wird – deshalb kursiv
- gegen die Großschreibung als Markierung des Konstruktcharakters,
da es das großgeschriebene Wort Schwarz nachahmt, welches aber aus einem
politisch widerständigem Zusammenhang kommt; dieses Widerstandsmoment würde
durch die
Großschreibung von weiß absorbiert werden
- eine Egalisierung durch Großschreibung beider Wörter verdeckt die
ungleiche historische Gewordenheit der Perspektiven
- Kritische Weißseinsforschung statt Critical Whiteness um den Fokus weg vom
Kontext der USA auf Deutschland zu richten und weniger Distanzierung zu
ermöglichen
- Problem: die Benennung von Schwarz (und weiß) wird als
Essentialismus aufgefasst
- Argument taucht immer dann auf, wenn sich Schwarze Menschen einen
Zusammenhang schaffen und ihn benennen (weiße, die ihre Zusammenhänge
nicht benennen, müssen sich nicht mit dem Essentialismusvorwurf
auseinandersetzen)
- Schwarzen wird das Recht auf eigene Definition abgesprochen, Schwarze
Menschen werden nicht als Subjekte gesehen, ihre Wissenschaftlichkeit wird
nicht anerkannt
- kann Weißsein ohne Schwarze Menschen verstanden werden?
- nein, der Subjektstatus von Schwarzen, Schwarzen Perspektiven und deren
Expertise werden nicht beachtet
„Wem gehört die Kritische Weißseinsforschung?“ (Peggy Piesche)
- einige weiße Theoretikerinnen streiten sich darum, wer die Critical
Whiteness Forschung aus den USA mitgebracht und in Deutschland etabliert hat
(eine Hand voll weißer Frauen beanspruchen diese Tat für sich; die
Critical Whiteness Forschung verorten sie seit 1998 an der HU-Berlin!)
- 1. Weißsein muss global gedacht werden, es ist kein Phänomen der USA,
deshalb mussten sich Schwarze Menschen
2. schon vorher damit auseinandersetzen und zwar auch aus
Forschungsperspektive!
(1983, siehe Text von Peggy Piesche)
Auch das Technische ist politisch
- Wahl des Unrast Verlags, um Bezahlbarkeit, auch außerhalb von
universitären Kontexten, zu ermöglichen (deshalb auch sehr kleiner
Schriftgrad)
- Covergestaltung: Entscheidung gegen Images
- Vorschläge zur Gestaltung mit verschiedenen Images stellten sich als
Desaster heraus (Stereotypen); die Farbe ist schön
- Subjekte müssen benannt werden, die Mythen und Masken liegen dahinter,
das Design ist bewusst verwoben, so dass der Titel auch anders gelesen
werden könnte
Ausblick
- man muss sich mit jeder neueren Publikation zum Thema Weißsein zu dem Buch
verhalten
- insbesondere zum Weißsein als markierte Perspektive!
-
- Werbung für die Interdependenzen-Homepage:
http://www.geschlecht-ethnizitaet-klasse.de
- systematisches Feedback zum Buch ist ausdrückliches erwünscht
- Möglichkeit einer Buchbesprechung?
Kathleen Heft
Berlin, 04.06.06