Dr. Urmila Goel, Wissenschaftlerin, Autorin und Trainerin
iz3w: Was war für Sie der Anlass, nord-südpolitische Bildungsarbeit zu machen?
Urmila Goel: In der Vorbereitung von jungen Menschen auf den Aufenthalt in einem Land des Globalen Südens wird zunehmend von Entsendeorganisationen die Auseinandersetzung mit der eigenen Position im Rassismus gewünscht. Dadurch hat sich ein Markt für rassismuskritische Trainer_innen entwickelt.Meine Motivation war daher weniger ein bewusstes Hinwenden als eine finanzielle Notwendigkeit als freiberufliche Trainerin.
iz3w: Auf welchen Konzepten und Annahmen beruht Ihre Arbeit?
Urmila Goel: Meine Arbeit baut auf der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit kritischer Rassismus und postkolonialer Theorie auf. Rassismus verstehe ich als eines von mehreren Machtverhältnissen, die die deutsche Gesellschaft und die Weltordnung strukturieren. Es wird von Institutionen und Individuen reproduziert, ohne dass sie bewusst rassistisch handeln (wollen). Es gibt verschiedene, kontextspezifische Rassismen, die sich nach Ort, Zeit, Milieu und der spezifischen rassifizierenden Wir-Die Anderen-Dichotomie unterscheiden. So zählen für mich neben kolonialen Rassismen auch Antisemitismus, Antiziganismus, antimuslimischer und antislawischer Rassismus dazu. Im Training müssen die für den konkreten Kontext relevanten Rassismen, ihre Verflechtungen und Verbindungen mit anderen Machtverhältnissen berücksichtigt werden. Da ich vor allem für Trainings mit im Rassismus Privilegierten engagiert wurde, lag mein Fokus auf der Auseinandersetzung mit eigenen strukturellen Privile gien und dem Umgang damit.
iz3w: Welche Schwierigkeiten sehen Sie in der privilegienkritischen Bildungsarbeit?
Urmila Goel: Viele Menschen, die sich noch nicht mit ihren strukturellen Privilegien auseinandergesetzt haben, reagieren abwehrend auf die Konfrontation mit diesen. Insbesondere jene, die Gutes tun wollen und sich als antirassistisch verstehen tun sich schwer, ihre strukturelle Beteiligung an Machtverhältnissen anzuerkennen. Statt struktureller Analyse hören sie individuelle Schuldzuweisung und wehren sich dagegen.
Damit müssen Trainer_innen umgehen können. Neben soliden methodischen Kenntnissen brauchen sie eine fundierte theoretische Auseinandersetzung mit Rassismus. Für erfolgreiche Bildungsarbeit müssen Trainer_innen und Institutionen ein klares Verständnis davon haben, was sie unter Rassismus verstehen und wie sich dieser äußert, wie zum Beispiel in der Frage, ob auch antimuslimischer Rassismus als solcher anerkannt wird oder nicht. Die auf einer solchen Basis entwickelten Konzepte können individuelle Lernerfolge erzielen, verharren aber auf diesen,solange sie keine Auswirkungen auf Strukturen haben.
iz3w: Welche strukturellen Hürden sind Ihnen begegnet?
Urmila Goel: Entwicklungszusammenarbeit und entsprechende Bildungsarbeit beruhen auf der Existenz und letztendlich der Stabilisierung von globalen Ungleichheiten. Eingeschrieben ist das Machtgefälle zwischen ‚uns‘ und denen im globalen Süden, das sich vielfältig ausdrückt und die Zusammenarbeit als Ungleiche festschreibt. Eine konsequente rassismuskritische Bildungsarbeit muss daher grundlegende Kritik am Ansatz, den Institutionen und Programmen üben, insbesondere wenn sie vom BMZ gefördert sind.
Mit dieser Kritik ist sie durchaus anschlussfähig bei vielen beteiligten Individuen. Zu grundlegend darf die Kritik für Institutionen und Hauptberufliche allerdings nicht sein, weil sie sonst ihre Legitimation oder Karrieremöglichkeiten gefährdet. Da die Institutionen den Rahmen bestimmen und über finanzielle und organisatorische Mittel verfügen, können sie ihnen zu weit gehende Kritik verhindern und kritische Teamende ohne Begründung nicht mehr beschäftigen. Die meist freiberuflichen Teamenden haben aufgrund ihres prekären Status und der großen Konkurrenz kaum ausreichend Verhandlungsmacht, um adäquate Arbeitsbedingungen zu erhalten. Da sie finanziell von Aufträgen abhängig sind, können sie sich Kri tik an Strukturen und Institutionen kaum leisten.
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