Bad Boll 2002

Identitätsbildung zwischen den Kulturen

von Betty Cherian

Mit einer Teilnehmerzahl von vier Leuten waren wir wohl die kleinste AG aller Zeiten. Doch das schreckte Pamela und mich in keiner Weise ab, sondern veranlasste uns umzudenken und umzustrukturieren. Während der Ausarbeitung unseres Konzepts haben wir uns hauptsächlich mit dem Thema „Indian Communities“ befasst. Aufgrund des recht persönlichen Rahmens haben wir uns daher spontan entschieden, statt dessen die Identitätsproblematik ausführlich zu diskutieren. Unsere Teilnehmer waren sehr engagiert und man spürte das persönliche Bedürfnis, sich über die „Andersartigkeit“ auszutauschen. Bereiche wie Familie, Gesellschaft, Freunde und der Wissensdurst über seine/ihre Herkunft gehörten in den wenigen Stunden zu den zentralen Gesprächsthemen. Hier fand ein reger und sehr persönlicher Austausch zwischen den Teilnehmern statt. Dies zeigte wieder einmal deutlich, dass der Bedarf nach Auseinandersetzung mit der eigenen Identität selbst nach acht Jahren nicht abgenommen hat und gerade Jugendliche betrifft. Daher sollte die Identitätsgruppe weiterhin als ein fester Bestandteil jedes Seminars in Bad Boll bestehen bleiben.

Wir forderten die Teilnehmer auf, sich neben jemanden zu setzen, den sie noch nicht kannten. Dadurch kam Schwung und Bewegung in die Gruppe. Dann sollte jeder drei Begriffe aufschreiben, die ihn als Person ausmachen (z.B. „Banklehre, Argentinien, Ballett“). Zu diesem Zweck verteilten wir Karteikarten. Die Karten wurden mit dem unbekannten Nachbarn ausgetauscht. Jeder hatte anschließend genügend Zeit, den anderen durch Fragen kennen zu lernen und später in der Runde vorzustellen. An dieser Stelle begannen die persönlichen Gespräche, welche die Arbeitsgruppe in den folgenden Stunden ausfüllen sollten.

Der Versuch einer Unterbrechung der regen Diskussion, um die Teilnehmer mit der eigentlichen Thematik „Indian Communities“ zu konfrontieren, glückte nur für sehr kurze Zeit. Wir machten ein Brainstorming in der Runde zum Begriff „Community“ und stellten dies der allgemeinen Definition gegenüber . Jene Definition lasen wir den Teilnehmern vor. Der Versuch, den ursprünglich geplanten Seminarablauf grob einzuhalten, wurde bald aufgegeben, da das Bedürfnis der Teilnehmer, ihre Erfahrungen gegenseitig auszutauschen, wesentlich stärker war und somit auch in unseren Augen Priorität hatte.

Die Vorbereitung der Präsentation im Plenum erwies sich als amüsant, aber auch schwierig, da wir von unserem ursprünglichen Konzept abgewichen waren. Die Teilnehmer beschlossen, einen Sketch vorzuführen, in dem einige der Gesprächsthemen aufgegriffen werden sollte.

© Urmila Goel, urmila.de / Desis in Deutschland/ Zweite Generation /Jugendseminare / Bad Boll/ 2002 2002