Forschungsprojekt: Die virtuelle zweite Generation

Kommentar zu Mareile Paske, ’Andere Deutsche’ – Strategien des Umgangs mit Rassismuserfahrungen (als pdf), Frankfurt/Oder: Viadrina, November 2006.

Mareile Paske analysiert in ihrer Bachelorarbeit Andere Deutsche’ – Strategien des Umgangs mit Rassismuserfahrungen (als pdf )zwei Interviews, die im Rahmen des Forschungsprojekts: Die virtuelle zweite Generation geführt wurden. Einer der beiden Interviewten gab sie den Namen Lara. Im folgenden dokumentieren wir Laras Reaktion auf die Arbeit:

15.12.06

Hallo Urmila,

vielen Dank für das Zusenden der Arbeit Deiner Studentin (als pdf)! Und vielen Dank für den glamourösen Namen, den Ihr mir verpasst habt - klingt viel besser als mein eigener!

Ich fand die Arbeit sehr spannend und habe sie mit großem Interesse gelesen. An vielen Stellen dachte ich: Ui, oha, Nagel auf den Kopf getroffen. Da waren Dinge dabei, über die ich so noch gar nicht nachgedacht hatte - während ich die Analyse einiger meiner Aussagen gelesen habe, gab es so ein, zwei Momente, wo ich echt nach Luft schnappen musste, und dachte: Oh Gott, stimmt! So beispielsweise in der Analyse, warum eine "Anklage" meiner weißen Freunde und Freundinnen ausbleibt. Dies trifft absolut auf die Situation damals zu, und war sicherlich der Grund, warum ich zu jener Zeit nicht offensiver mit diesem Thema an sie herangetreten bin.

Allerdings würde ich nicht sagen, dass dies auch für heute noch gilt, das Verständnis meinerseits bezieht sich explizit auf die damalige Situation. Das damalige fehlende Verständnis meiner FreundInnen ist für mich in so fern nachvollziehbar, als dass wir alle einfach noch ziemlich jung und unreflektiert waren. Weder sie noch ich hatten uns damals explizit mit Rassismus innerhalb der deutschen Gesellschaft bzw. Alltagsrassismen (im Gegensatz zu Rassismus als Ideologie oder sehr "offensichtlichen" Rassismen, wie bspw. dem Apartheids-Regime in Südafrika) auseinander gesetzt. Ich selbst hatte bis zu dem Zeitpunkt ja vieles verdrängt und nicht näher benannt gehabt, musste mich aber plötzlich damit auseinandersetzen, aufgrund des Gefühls des Bedroht-Seins. Das fällt bei Weißen weg, bei ihnen muss das über eine intellektuelle Auseinandersetzung passieren -  gefühlsmäßig nachvollziehen kann man das nicht (es sei denn, man begibt sich in ein Land, in dem man als Weißer auffällt und eventuell aufgrund dessen ein potentielles Opfer für irgendwas ist) - und das dauert oft eben ein bisschen :-) . Daher habe ich auch heute noch ein gewisses Verständnis für die damalige Reaktion - sogar mehr, als damals, auch wenn ich mich ganz schön scheiße gefühlt habe. Heute sieht das anders aus: mit vielen dieser Leuten bin ich immer noch eng befreundet und wir haben die ganze Sache - auch das fehlende Verständnis und eventuelle Gründe dafür - in den vergangenen Jahren ausführlich thematisiert. Eine Reaktion wie damals würde ich heute weder hinnehmen, geschweige denn rechtfertigen - allerdings würde ich von ihnen so eine Reaktion auch nicht mehr bekommen. Die ist ihnen heute ziemlich peinlich.

Viele Grüße,

Lara

© Urmila Goel, www.urmila.de 2006