aus: Urmila Goel (2002), "Von Freiheitskämpfern zu Computer-Indern - Südasiaten in Deutschland-" (als pdf), in: Südasien, 22, 1/2002, 70-73.
Stand 2002 (aktualisiert: 2008)
Schon im 19. Jahrhundert waren einige wenige InderInnen nach Deutschland gekommen. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden es dann beachtlich mehr. Deutschland, das keinen Anteil an der Kolonialherrschaft in Indien gehabt hatte, schien für viele indische FreiheitskämpferInnen als ein möglicher Verbündeter im Kampf gegen die BritInnen. So gründeten sie schon im ersten Weltkrieg eine Organisation in Deutschland, die die Aktivitäten von indischen NationalistInnen im Ausland koordinieren sollte. Die deutsche Regierung unterstützte dies gegen das Versprechen, im Falle der Unabhängigkeit bevorzugte Handelskonditionen zu bekommen. Indische UnterstützterInnen wurden unter den in Deutschland lebenden Studierenden und den britischen Kriegsgefangenen geworben. Für Kriegsgefangene wurde eigens Zeitschriften in Hindi und Urdu herausgegeben. Sie waren in Flandern gefangenen genommen worden und wurden in verschiedenen Gefangenenlagern, u.a. in Wünsdorf bei Berlin , interniert. Interniert wurden auch indische Seeleute, die bei Kriegsbeginn in deutschen Häfen waren oder aber auf britischen Schiffen gefangen genommen wurden. Je nach sozialem Stand und Nützlichkeit für Propagandatätigkeiten wurden die verschiedenen Internierten unterschiedlich behandelt. Insbesondere die Seeleute mussten hart arbeiten. In Wünsdorf wurde ein Lautarchiv mit Beiträgen u.a. von indischen Gefangenen aufgezeichnet (siehe die Website Halfmoon Files hierzu) und auch Propagandafilme gedreht. Zu Kriegsende konnten die meisten der überlebenden Kriegsgefangene (die Sterblichkeitsrate war sehr hoch) nach Britisch Indien zurückkehren. Wenige Studierende, Kriegsgefangene und Seeleute blieben in Deutschland zurück.
Die FreiheitskämpferInnen wurden dann wieder in den 1920ern aktiv, als M.N. Roy in Berlin ein neues Büro eröffnete und abermals indische Studierenden kamen. Letztere hatte allerdings nicht politische Überzeugung nach Europa geführt, sondern der gute Ruf der deutschen Wissenschaft, Kultur, und Industrie. Auch Nehru erkannte bei einem seiner Besuche in Deutschland die guten Möglichkeiten für indische Studierende. Die Entscheidung des Indischen National Congresses, 1928 ein Indian Student Information Buerau in Berlin zu eröffnen, ist vermutlich von ihm mit auf den Weg gebracht worden. Das Büro sollte InderInnen Informationen über die Studienmöglichkeiten in Deutschland geben, ihnen in ihren ersten Tagen im fremden Land helfen und Deutsche über Indien informieren. Mit der Machtübernahme der Nazis aber verschlechterte sich die Situation der InderInnen, die zumeist SozialistInnen waren, wieder. Einige wurden verhaftet, andere verließen das Land.
Diese Entwicklung wandelte sich mit der Ankunft Subhas Chandra Boses 1941. Er hoffte, in Hitler einen Verbündeten gegen die BritInnen zu finden, und hatte insofern Erfolg, als ein Zentrum, eine Zeitung und ein Radiosender Azad Hind mit Hilfe der Deutschen in Berlin gegründet wurden (ähnlich der Unterstützung für die indischen NationalistInnen im ersten Weltkrieg). Außerdem wurde ab 1942 aus britischen Kriegsgefangenen eine indische Legion rekrutiert, die in Indien gegen die Briten eingesetzt werden sollte. Nichtsdestotrotz blieb Hitlers Unterstützung für die indische Sache sehr beschränkt. (Mehr zu Bose und der indischen Legion.)
Zum Ende des zweiten Weltkrieges waren nur noch wenige InderInnen in Deutschland.
© Urmila Goel, urmila.de / Desis in Deutschland 2012