Desis in Europa

Indisch-markierte Menschen in Europa

Spätestens seit der GreenCard-Debatte wissen 'weiße ' Deutsche, dass 'InderInnen' Sillicon Valley bevölkern. Recht gut bekannt ist auch, dass es in England an jeder Straßenecke ein 'authentisches' Curry gibt. Die umfangreiche Fachliteratur über die 'südasiatische Diaspora' behandelt in der Regel die frühe (Zwangs-)Migration der Plantagenarbeiter nach Afrika, in die Karibik und die Pazifik-Region. In letzter Zeit kommen Studien über die Situation im Nahen Osten und den Vereinigten Staaten hinzu. Über die Wanderungsbewegungen nach 'Europa' (außerhalb Großbritanniens) ist aber kaum etwas bekannt – weder in der allgemeinen Öffentlichkeit, noch unter denen, die als 'SüdasiatInnen' markiert sind oder in der internationalen Forschung.

Von 1998 bis 2000 habe ich mich daher auf die Suche nach Material über die Migration aus 'Südasien' nach 'Europa' gemacht. Soweit ich konnte habe ich Literatur und Statistiken gesammelt und ausgewertet. Daraus ist im Jahr 2000 die Publikation "Apache Indian, Xavier Naidoo und Dr. Bombay – Südasiaten in Europa” (als pdf), in: Südasien, 20, 5/00, 3-6 entstanden. Sie kann heute auch noch einen ersten Überblick geben, entspricht allerdings nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand und benutzt essentialisierende Begriffe und Ansätze, von denen ich mich heute distanziere.

Da ich in der Zwischenzeit nicht wieder systematisch nach Material gesucht habe, beruht auch dieser Internetauftritt im wesentlichen noch auf meinen damaligen Rechercheergebnissen und ihren Schwächen. So war ich bei meiner Recherche  von meinem westeuropäischzentrischen Blick geleitet. Ich habe damals kein Material zu ost- und südosteuropäischen Ländern gesammelt und kann deswegen noch heute kaum etwas anbieten. Zudem war ich durch meine fehlenden Sprachkenntnisse gehemmt. Ich kann nur englisch- und deutschsprachige Literatur berücksichtigen. Zumindest für die skandinavischen Länder weiß ich, dass es noch viel mehr Material in den jeweiligen Landessprachen gibt.

Die Verfügbarkeit und Form des statistischen Materials war im Jahr 2000 sehr unterschiedlich. Lediglich die Zahlen über die inländische Bevölkerung mit 'südasiatischen' Staatsbürgerschaften sind international vergleichbar. Diese aber unterschätzen aufgrund der in einigen Ländern sehr hohen Einbürgerungsquoten bzw. dem Anrecht der Menschen aus den ehemaligen Kolonien auf die nationale Staatsbürgerschaft, erheblich die Präsenz von Menschen, die als 'SüdasiatInnen' markiert sind, in den einzelnen Ländern. Generell ist bei Aussagen über die 'südasiatische' Diaspora zu hinterfragen, welche Definition – statistisch oder politisch - diesen zugrunde liegt. Sind nur die StaatsbürgerInnen gemeint? Oder alle, die einmal eine 'südasiatische' Staatsbürgerschaft besaßen? Wie weit zurück darf der letzte Ahnherr, die letzte Ahnfrau sein, der oder die in 'Südasien' lebte?  (siehe hierzu auch meinen Artikel "Indians in Germany’ - The imagination of a community" (as pdf), in: UNEAC Asia Papers, No. 20, 2007)

In ganz 'Europa' findet man Menschen, die als 'SüdasiatInnen' markiert sind. Einige leben schon seit Generationen dort, andere sind nur vorübergehend da. In manchen Ländern ist die Zahl der als 'südasiatisch' Markierten ganz erheblich. So bilden jene, die als 'Pakistani' markiert sind, in Norwegen eine der größten 'ethnisch' definierten Bevölkerungsgruppen. Jedes Land hat seine eigene spezifische Migrationsgeschichte. Koloniale Verbindungen hat nicht nur Großbritannien sondern auch die Niederlande, Portugal und Frankreich. Die größten Zuwanderungen erfolgten nach dem Zweiten Weltkrieg, obwohl auch schon vorher Menschen, die als 'SüdasiatInnen' markiert sind, in 'europäischen' Ländern wohnten. Im zweiten Weltkrieg selbst kämpften 'südasiatisch' markierte Soldaten in verschiedenen Armeen in Europa (siehe hierzu auch meinen Artikel "Die indische Legion - Ein Stück deutsche Geschichte" (als pdf), in: Südasien 4/03, 27-30). Die mittel- und nordeuropäischen Länder haben insbesondere in den 1950ern bis 1970ern gerne 'GastarbeiterInnen' in ihre Länder gelassen, um deren Arbeitskraft auszubeuten und die Wirtschaft anzukurbeln. Die Menschen allerdings waren kaum gern gesehen, von Anfang an wurde ihnen mit Rassismen begegnet. Ab den 1970ern sind dann in fast allen Ländern restriktivere Zuwanderungsregeln zu verzeichnen. Heute zeigt sich die Europäische Union vor allem als eine Festung Europa, in die möglichst wenige Rassifizierte von außen zuwandern sollen und möglichst auch etliche, die bereits in ihren Grenzen sind, gehen sollen. Die Außengrenzen werden streng kontrolliert, regelmäßig kommen Menschen, bei dem Versuch sie zu überwinden, um. Darunter sind auch immer wieder Menschen, die sich aus 'Südasien' auf den Weg nach 'Europa' gemacht haben. Jene die es schaffen, haben kaum eine Chance einen legalen Aufenthaltstitel zu erwerben. So gibt es mittlerweile besonders in den Mittelmeeranrainern eine ganze Reihe von Menschen aus 'Südasien', die dort illegalisiert leben und versuchen Geld zu verdienen. 

Literatur:

© Urmila Goel, urmila.de / Europa 2008