Kategorisierungen von Menschen nach nationaler, ethnischer oder kultureller Zugehörigkeit sind problematisch. Wie zum Beispiel ist eine InderIn definiert? Hat sie die indische Staatsbürgerschaft? Ist sie in Indien geboren? Hat sie in Indien gelebt? Sind ihre Vorfahren 'InderInnen'? In natio-ethno-kulturellen Bezeichnungspraxen wie indisch, pakistanisch oder deutsch spiegeln sich spezifische Vorstellungen über die Welt wieder und zwar über eine Welt, die in unterschiedliche von einander abgrenzbare Gruppen aufgeteilt ist. Zudem liegt diesen Bezeichnungen meist eine rassistische Logik zugrunde, nach der die natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit eindeutig ist, vererbt wird und sich im Körper manifestiert. Eine InderIn kann in dieser Logik keine Deutsche sein, bleibt immer Indien zugehörig und in Deutschland fremd. Gegen diese Vorstellung eindeutiger natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit positioniere ich mich und Beziehe mich da auf Mecherils (2003) Ausführungen zur natio-ethno-kulturellen (Mehrfach-)Zugehörigkeit.
Das heißt aber nicht, dass natio-ethno-kulturelle Bezeichnungen keine praktische Relevanz haben. Sie strukturieren unseren Alltag und unser Denken. Als ich 1994 damit anfing, über indisch-markierte Menschen in Deutschland zu arbeiten, habe auch ich ganz selbstverständlich von Indern (in der üblichen ausschließlich männlichen Form) gesprochen. Für die zweite Generation (auch ein problematischer Begriff), zu der ich mich selber zähle, habe ich mich mit anderen zusammen auf die Suche nach einem passenden Begriff gemacht und eine Zeit lang von Indo-Deutschen gesprochen. Jetzt spreche ich eher (und viel weniger zugänglicher) von Menschen, die in Deutschland sozialisiert wurden und dort als InderInnen markiert werden. Auf dieser Webseite sind unterschiedlichste Texte versammelt, die ich seit 1994 geschrieben habe, und die auf sehr unterschiedlichen Bezeichnungspraxen basieren.
Ich spreche mittlerweile vorallem von indisch-markierten Menschen (und nicht südasiatisch-markierten), weil es meine Erfahrung (auch aus Interviews, z.B. Fatima) ist, dass Menschen mit bestimmten physiognomischen oder sozialen Merkmalen in Deutschland als InderInnen bezeichnet werden (unabhängig davon ob sie zu Indien einen Bezug haben oder nicht). In anderen Ländern wäre die Bezeichnungspraxis sicher eine andere. So würden Norwegen vermutlich die gleichen Menschen, eher als Pakistanis kategorisiert werden, weil dies die Bezeichnung für die größte rassifizierte Bevölkerungsgruppe dort ist. In Großbritannien wiederum wird von Asians gesprochen, wenn es um Menschen geht, denen ein Ursprung in Südasien zugeschrieben wird. Wenn ich also hier von indisch-markierten Menschen spreche, dann können dies Menschen sein, die selber aus einem der südasiatischen Länder zugewandert sind, es können deren Kinder sein, es können aber auch Menschen aus den USA sein, die in Deutschland für InderInnen gehalten werden. Diese Betonung auf das 'Indische' liegt sicher in meiner eigenen Biographie begründet. Mein Vater ist aus Indien nach Deutschland migriert und daher ist Indien in meiner Wahrnehmung Südasiens dominant. Wäre er aus Pakistan oder Nepal zugewandert, würde ich wahrscheinlich weniger selbstverständlich mit dem Begriff 'indisch-markiert' umgehen.
Auch ich komme aber nicht darum herum immer wieder kurze Begriffe zu benutzen, um die hier vorgestellte Gruppe zu bezeichnen. Dabei greife ich auf dieser Webseite immer wieder auf den Begriff Desis zurück. Desi ist eine Selbstbezeichnung von indisch-markierten Menschen, die außerhalb Südasiens leben, und markiert ihre Verbundenheit zu einem Land in Südasien (Desh). Insofern ist dieser Begriff auch problematisch, da auch er von einer ererbten Verbundenheit zu einem 'Heimatland' ausgeht. In der deutschen Sprache ist er aber (noch) nicht klar zuordnenbar und bricht damit etwas die natio-ethno-kulturellen Zuschreibungen. Und so verwende ich ihn genauso wie die Begriffe Andere Deutsche und 'weiße' Deutsche, wohl wissend, dass es keine korrekten Bezeichnungen geben kann.
Indisch-markierte Menschen in Deutschland verbindet, dass ihnen Indien als Herkunftsland zugeschrieben wird und sie damit umgehen müssen. Sie unterscheiden sich allerdings darin, wie sehr sie sich selber Indien zugehörig empfinden, wie sie mit den Zuschreibungen umgehen, etc. Ich halte es daher auch für falsch von einer indischen Gemeinschaft in Deutschland in Deutschland zu sprechen und habe dazu einen kritischen Artikel hier veröffentlicht.
Ich hatte aber auch einmal das dringende Bedürfnis , andere 'InderInnen der zweiten Generation' wie mich zu finden und mehr über die MigrantInnen aus Indien zu erfahren. Dieses Bedürfnis ist legitim und ich will ihm trotz meiner theoretischen Bedenken etwas entgegen kommen. Das meiste, was in der Rubrik Desis in Deutschland zu lesen ist, basiert auf meinen Beobachtungen von, Interviews mit und Lektüren zu Menschen, die aus Indien nach Deutschland migriert sind und deren Kindern. Gerade die Aussagen zu den Studierenden und PraktikantInnen dürften aber auch für MigrantInnen aus Pakistan, Bangladesh, Sri Lanka und Nepal gelten, die zu einer ähnlichen Zeit, mit einem ähnlichen sozialen und ökonomischen Hintergrund und mit den gleichen Zielen nach Deutschland gekommen sind. Die Situation von AsylbewerberInnen aus Pakistan, Sri Lanka, Bangladesh und auch Indien ist allerdings eine andere. Zu dieser Gruppe von Menschen weiß ich relativ wenig, da ich mich vorwiegend in den etablierten Kreisen der Studierenden und PraktikantInnen sowie der Krankenschwestern bewege und dort vor allem meine ethnographischen Beobachtungen gemacht habe. Zu den Ahmadiyas aus Pakistan und den TamilInnen aus Sri Lanka gibt es aber einige Publikationen von anderen WissenschaftlerInnen. Zu Bangladeshis gibt es auch ein paar Publikationen, die in der Bibliographie zu finden sind. Für Nepalis kann ich nur auf einen Link verweisen.
Zur Verhandlung von Indisch-Sein lesen Sie bitte auch:
Wenn Sie mehr über Menschen, die einem anderen südasiatischen Land als Indien zugeordnet werden, hier finden wollen, dann nutzen Sie bitte auch die Suchfunktion: