von Kathleen Heft und Urmila Goel
im Rahmen des Forschungsprojekts
„Die virtuelle zweite Generation“
gefördert von der Volkswagenstiftung
vom
Donnerstag, 10. bis Samstag, 12. November 2005
an der Europa-Universität Viadrina
Frankfurt/Oder
‘Deutsche’ InländerInnen, die in Deutschland aufgewachsen sind und dort als
anders angesehen werden, weil man ihnen VorfahrInnen aus einem anderen Land
unterstellt, unterscheiden sich von den MigrantInnen und den ‚Weißen’. Sie
können als zweite Generation bezeichnet werden oder nach Paul Mecheril als
‘Andere Deutsche’. Viele von ihnen werden sowohl von ihren Eltern als auch von
der Mehrheitsgesellschaft immer wieder als anders definiert. Der individuelle
Umgang mit diesem Andersmachen ist sehr unterschiedlich. Es ist zu beobachten,
dass immer wieder eigene Räume der zweiten Generation entstehen, an denen sich
die so Kategorisierten unter ‘Gleichen’ fühlen und ihre eigene Sicht der Dinge
entwickeln können. Diese Räume können dauerhaft oder temporär sein, sie können
sich im physikalischen oder virtuellen Raum befinden. Das von der
VolkswagenStiftung geförderte Forschungsprojekt „Die virtuelle zweite
Generation“ an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder analysiert
einen solchen Raum, das Internetportal theinder.net.
Der Begriff Raum bezeichnet hier nicht einen geographisch definierten Ort. Er
wird vielmehr in dem Sinne genutzt, dass ein Raum abgegrenzt ist, dass der
Zugang zu ihm zumindest theoretisch kontrollierbar ist, dass es ein Außen und
Innen gibt. Innerhalb des Raumes herrschen spezifische Codes und Regeln. Er
bietet einen Ort des Rückzugs, der Sicherheit und des Schutzes. Im eigenen Raum
ist man unter ‘Gleichen’. Hier kann man sich die Zeit nehmen, auszuhandeln, was
es heißt, unter ‘Gleichen’ zu sein. Man kann verarbeiten, was man in anderen
Räumen erfahren hat. Der eigene Raum existiert aber nicht isoliert, er ist
verbunden mit anderen Räumen. Jedes Individuum verfügt über sein eigenes Netz
von Räumen, in dem es sich bewegt.
Um die Auseinandersetzung mit Räumen der zweiten Generation zu intensivieren und interdisziplinär zu betrachten, wurde im Rahmen des Forschungsprojektes "Die virtuelle zweite Generation“ im November 2005 ein Workshop zum Thema organisiert. Er war so konzipiert, dass die Diskussion im Mittelpunkt stand, und diese durch kurze Inputs initiiert wurde. Es ging nicht darum, ausgearbeitete Paper detailliert vorzustellen und zu besprechen, sondern sich intensiv mit den Themenbereichen auseinander zu setzen und zu diskutieren. Dabei kamen bewusst verschiedene Forschungsperspektiven aus unterschiedlichen Fachbereichen zusammen. Angereist waren hierzu zwölf WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen aus ganz Deutschland und der Schweiz. Darunter waren Migrations- genauso wie InternetexpertInnen. Sie kamen aus den Fachbereichen Kultur- und Sozialanthropologie, Soziologie, Politikwissenschaften, Pädagogik, Psychologie und Sprachwissenschaften. Der Workshop begann mit einer Auseinandersetzung über Konzepte zur Analyse der zweiten Generation, ging dann in eine Diskussion von Konzepten zu (medial gestalteten) Räumen über, um die Diskussionsergebnisse abschließend an zwei Fallbeispielen anzuwenden.
Während des Workshops protokollierten die Studierenden der Kulturwissenschaft Kathleen Heft und Daniela Vrhovac die laufenden Diskussionen und nahmen sie auf Tonband auf. Die TeilnehmerInnen hielten für jeden Teil des Workshops die für sie zentralen Fragestellungen fest und stellten sie den Dokumentarinnen zur Verfügung. Es war aber von Anfang an klar, dass aus diesem Material kein Wortprotokoll entstehen konnte und sollte. Das wesentliche Element des Workshops war der Austausch untereinander, es gab keine schriftlichen Paper. Der Geist einer Diskussion lässt sich aber nicht durch die wörtliche Verschriftlichung wiedergeben. Daher bestand die schwierige Aufgabe der beiden Dokumentarinnen darin, aus ihren Notizen, denen der TeilnehmerInnen und den Tonbandaufnahmen einen eigenen Text zu entwerfen, der die wichtigsten Punkte der Diskussionen widerspiegelt. Dass dies nicht ‘objektiv’ geschehen kann, ist selbstverständlich. Die hier vorliegende Dokumentation ist ein Abbild dessen, wie die Dokumentarinnen und die Organisatorin die Diskussionen verfolgt haben, was sie für die entscheidenden Elemente erachteten und was sie vor dem Hintergrund ihrer eigenen wissenschaftlichen Fragestellungen für dokumentierungswürdig hielten. Andere DokumentarInnen hätten sicher andere Aspekte stärker betont und wohl auch mal etwas anders verstanden. Diese Dokumentation ist klar in dem Forschungsprojekt „Die virtuelle zweite Generation“ und seinen zentralen Fragen sowie in der Feldforschung der Dokumentarinnen zu den Internetplattformen asia-zone.de und serbiancafe verortet. Sie beruht auf den Mitschriften und Diskussionen von Heft und Vrhovac, wurde im wesentlichen von Heft konzipiert und geschrieben, und von Goel kommentiert und ergänzt. Die Verantwortung für mögliche Missinterpretationen oder Verfälschungen liegt bei der Organisatorin.