erschienen in: Christiane Brosius und Urmila Goel (2006, Hrsg.), masala.de - Menschen aus Südasien in Deutschland, Heidelberg: Draupadi-Verlag, 123-160.
Dank der indischen Staatsbürgerschaft meines Vater wurde ich 1970 in Deutschland mit selbiger geboren. Den deutschen Pass bekam ich erst 1975, als auch die Kinder deutscher Mütter Anspruch auf ihn erhielten. Meine doppelte Staatsbürgerschaft verlor ich dann mit 16 Jahren, da der indische Staat sie nicht akzeptierte und mir deswegen meinen Pass nicht verlängerte. Ich wohnte mit meinen Eltern an der französischen Grenze und erlebte immer wieder, wie anstrengend das Reisen ohne deutschen Pass ist. Mein Vater musste jedes Mal, abhängig von den gerade gültigen Regeln, mit mehr oder weniger bürokratischem Aufwand, ein Visum beantragen. Auch sonst hatte er immer wieder Schwierigkeiten als ausländischer Staatsbürger in Deutschland. So ärgerte ich mich zwar, dass ich nun keinen indischen Pass mehr hatte, ich wäre aber nie auf die Idee gekommen, den deutschen abzugeben. Für mich war es klar, dass man am einfachsten lebt, wenn man die Staatsbürgerschaft seines Wohnlandes hat. Staatsbürgerschaft hatte für mich weniger mit Identität als mit Rechten und Pflichten zu tun. Es war ein Vertrag, den ich mit dem Staat hatte.
Ich lernte aber immer mehr junge Menschen wie mich kennen, also Menschen, die in Deutschland aufgewachsen waren und mindestens einen indischen Elternteil hatten, die an ihrer indischen Staatsbürgerschaft hingen. Eine Einbürgerung konnten sich viele nicht vorstellen. Da mich dies irritierte, beschloss ich, meine Abschlussarbeit über Staatsbürgerschaft und Identität bei der zweiten Generation „InderInnen“ in Deutschland zu schreiben (Goel 1998a). Gleichzeitig hatte ich die Gelegenheit, mich intensiver mit dem außergewöhnlich langwierigen Einbürgerungsverfahren eines befreundeten Inders der ersten Generation auseinanderzusetzen und fertigte eine Analyse der Verfahrensakten an (Goel 1998b). Sechs Jahre später war die politische Diskussion in Deutschland – und auch in Indien – rund um Staatsbürgerschaft wesentlich fortgeschritten, es gab Gesetzesänderungen und polarisierende öffentliche Diskurse. Daher beschloss ich, neue Interviews zu führen und die beiden Studien in diesem Artikel weiterzuentwickeln.
Anmerkung: Fußnoten sind in dieser Internetversion nicht mit aufgeführt.
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